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Archiv-Artikel

Kim auf

AUS PEKING JUTTA LIETSCH

In Ostasien herrschte bis gestern Abend Verwirrung über Nordkoreas Raketentest. Pjöngjang versicherte, es habe einen Fernmeldesatelliten mit einer Rakete vom Typ Unha-2 in den Weltraum geschossen. Der Satellit Kwangmyongsong-2 („Helles Licht“) funktioniere „normal“, meldete die nordkoreanische Nachrichtenagentur KCNA nach dem Start. Er habe neun Minuten und zwei Sekunden später die Umlaufbahn erreicht und sende Messdaten zurück zur Erde.

Dagegen behaupteten die USA und Südkorea, alle drei Stufen der Trägerrakete seien ins Meer gestürzt. Sollte ein Satellit auf die Rakete montiert gewesen sein, habe sie nicht das Weltall erreicht. „Kein Objekt ist in den Orbit eingedrungen“, erklärte das US-Militär.

Der Start hat die Spannung in der Region erhöht. Es droht ein neues Wettrüsten. Die USA und ihre Bündnispartner Japan und Südkorea kritisierten den Abschuss scharf. Nordkoreas Nachbar Japan forderte die 15 Mitglieder des UN-Sicherheitsrats noch am Sonntag zu einer Dringlichkeitssitzung in New York auf. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon tadelte den Start als „nicht hilfreich für die Bemühungen um die Förderung von Dialog, regionalem Frieden und Stabilität“.

China und Russland dagegen warnten vor Überreaktionen: „Wir hoffen, dass die betreffenden Seiten Ruhe und Zurückhaltung bewahren und diesen Fall angemessen behandeln“, erklärte die Pekinger Außenamtssprecherin Jiang Yu. Eine erneute Verurteilung Nordkoreas durch den UN-Sicherheitsrat ist deshalb nicht zu erwarten: China hat ein Vetorecht.

Die aus drei Stufen bestehende Rakete löste sich von der Rampe auf der nordkoreanischen Basis Musudan-ri und flog in hohem Bogen nach Osten. Wie japanische Militärs mitteilten, stürzte die erste Trägerstufe etwa 280 Kilometer westlich von Japan ins Meer. Mehrere japanische, amerikanische und südkoreanische Kriegsschiffe waren in die Region geeilt. Nachdem die Rakete Japan sicher überquert hatte, fiel die zweite Trägerstufe vermutlich rund 1.270 Kilometer von der Nordspitze Japans entfernt in den Pazifik. Tokio hatte angekündigt, die Rakete abzuschießen, wenn sie auf japanisches Territorium zielen würde. Das hätte, so befürchteten Experten in der Region, leicht in eine gewaltsame Konfrontation zwischen Nordkorea und Japan münden können.

Mit dem geglückten Start hat Nordkoreas Armee um den Machthaber Kim Jong Il der Welt bewiesen, dass es trotz internationaler Sanktionen Technik und Know-how für die Produktion von Langstreckenraketen besitzt. Nordkorea liefert Waffen in eine ganze Reihe von Ländern des Nahen Ostens und Afrikas. Iranische Raketenfachleute sollen den Start vor Ort beobachtet haben.

Kritiker werfen Pjöngjang vor, der Start des Fernmeldesatelliten sei nur ein Vorwand. In Wirklichkeit wollten sie ihre Taepodong-2-Interkontinentalrakete testen, die sich hinter der Unha-2-Trägerrakete verberge, heißt es. Werde diese mit einer Bombe statt mit einem Satelliten beladen, könnte sie nicht nur Japan, sondern auch die USA bedrohen. Theoretisch kann sie 6.700 Kilometer weit fliegen. Im Juli 2006 hatten die nordkoreanischen Militärs zum ersten Mal eine Taepodong-2-Rakete getestet. Damals war sie aber bereits nach 40 Sekunden ins Meer gefallen. Drei Monate später zündete das Kim-Regime erstmals eine unterirdische Atombombe.

Obama ab

AUS PRAG DANIELA WEINGÄRTNER

In den Straßenbahnen Richtung Hradschin drängten sich schon um sieben Uhr die Menschen so dicht, dass nicht einmal die Prager Taschendiebe ihrem Handwerk nachgehen konnten. Ben aus Kanada und sein Freund James aus New York fanden es „pretty exiting“, den US-Präsidenten vor historischer Kulisse live zu erleben. Die beiden Politikstudenten verbringen ein Auslandsemester in Prag und erhofften sich von Obama, „dass er etwas über Atomwaffenkontrolle sagt“.

Sie kamen auf ihre Kosten. „Klar und mit Überzeugung erkläre ich heute Amerikas Engagement, den Frieden und die Sicherheit einer Welt ohne Atomwaffen zu suchen“, sagte Obama. Sein Land werde die Rolle von Nuklearwaffen in der nationalen Sicherheitsstrategie reduzieren und andere auffordern, das Gleiche zu tun. „Aber nicht, dass hier falsche Vorstellungen geweckt werden: Solange es derartige Waffen gibt, werden wir ein sicheres und wirkungsvolles Arsenal aufrechterhalten und unseren Alliierten diesen Schutzschirm garantieren – auch der Tschechischen Republik“, sagte Obama.

Die USA würden auch den Atomteststoppvertrag unterzeichnen. „Nach mehr als fünf Jahrzehnten Verhandlungen ist es Zeit, dass Atomwaffentests endgültig gestoppt werden“, sagte Obama unter dem Beifall zehntausender Zuhörer auf dem Platz vor der Prager Burg. Gleichzeitig müssten alle Länder, die dies wollten, Zugang zu einer „internationalen Brennstoffbank“ erhalten – ohne das Risiko, dass daraus Waffen hergestellt werden. Dafür müsse die internationale Kontrolle ausgebaut werden. Innerhalb von vier Jahren solle alles spaltbare Material weltweit registriert und kontrolliert werden. „Wir müssen Nuklearenergie für unseren Kampf gegen den Klimawandel nutzbar machen und die Entwicklungsmöglichkeiten für alle Menschen verbessern“, sagte Barack Obama.

Richtung Nordkorea schickte Obama eine scharfe Warnung: „Jetzt ist die Zeit für eine deutliche internationale Antwort gekommen. Nordkorea muss wissen, dass Sicherheit und Respekt nicht durch Drohungen und illegale Waffen zu erreichen sind.“ Iran werde ebenfalls vor dieser Wahl stehen. „Wir werden das Recht des Iran auf friedliche Nuklearenergie unter strikter Kontrolle unterstützen. Oder die Regierung kann sich für wachsende Isolierung, internationalen Druck und ein mögliches nukleares Wettrüsten in der Region entscheiden, das die Unsicherheit für alle Menschen weiter vergrößert.“

Obamas Zuhörer drücken allerdings die Wirtschaftskrise und ihre nur noch kommissarisch amtierende Regierung derzeit mehr auf der Seele als das atomare Wettrüsten. Ministerpräsident Mirek Topolánek, der kürzlich über ein Misstrauensvotum der Opposition stürzte, wurde von seinen Pragern mit lauten Pfiffen und Buhrufen begrüßt.

Beim anschließenden europäisch-amerikanischen Gipfeltreffen erklärte der neue US-Präsident seinen Gastgebern, was das neue Amerika als Gegenleistung für seine Weltoffenheit, sein Engagement fürs Weltklima und seine diplomatischen Anstrengungen erwartet. Der muslimischen Welt dürfe nicht mit Generalverdacht begegnet werden. „Eine Mitgliedschaft der Türkei in der Europäischen Union würde diesbezügliche Bemühungen unterstützen und verstärken.“ Ob er sich mit diesem Vorstoß dafür bedanken will, dass die türkische Regierung die Ernennung des Dänen Anders Fogh Rasmussen zum neuen Nato-Generalsekretär nicht länger blockiert?