GESUNDHEITSREFORM: VERSPRECHUNGEN WIE BEIM WIRTSCHAFTSWACHSTU M
: Kassen richten sich nicht nach der Politik

Es ist keine Neuigkeit, dass die meisten Krankenkassen zum 1. Januar 2004 die Beiträge nicht senken werden. Eine Nachricht wäre vielmehr, wenn die Kassen ankündigen würden, dass sie die Beiträge senken. Der Hickhack zwischen der Ministerin Ulla Schmidt und den Zahlstellen darum, ob mit der Gesundheitsreform die Beiträge sinken können, geht immer dann in eine neue Runde, wenn sich eine weitere Krankenkasse über Senken oder Heben äußert.

Das Problem ist jedoch, dass die Kassen nicht einhalten können, was die Politik versprochen hat. Das Kalkül rot-grüner Wirtschaftspolitik lautet: Hauptsache, wir geben den Arbeitgebern das Signal, dass wir die Lohnnebenkosten senken können – die Versicherten werden sich mit Zuzahlungen, Streichungen und einer Extra-Zahnersatzversicherung schon noch abfinden, wenn sie dafür weniger Beiträge zahlen müssen. Das Kalkül der Kassen lautet: Kann schon sein, dass nächstes Jahr zehn Milliarden Euro gespart werden – aber das wollen wir erst einmal sehen, und außerdem müssen wir noch unsere Altschulden abbauen. Im Übrigen belasten die meisten Maßnahmen der Agenda 2010 auch die Kassen: Nullrunden für Rentner bedeuten auch Minusrunden für Krankenkassen.

So hofft Rot-Grün, durch eine Senkung der Beiträge den Wirtschaftsimpuls auslösen zu können, der das Geld einbringt, das derzeit fehlt, um die Beiträge zu senken. Politisch mag so etwas logisch klingen, aber für die Kassen entspricht dies der Praxis eines gewissen Baron Münchhausen, sich am eigenen Zopf aus dem Sumpf zu ziehen. Tatsächlich wird es mit der Beitragssenkung im kommenden Jahr wohl so kommen wie dieses Jahr mit dem Wirtschaftswachstum: Erst verspricht die Regierung 0,7 Prozent, dann muss sie auf 0,5 und dann vielleicht 0,3 reduzieren, und dies auch nicht zum vorausgesagten Termin, sondern irgendwann später. Zugleich ändert sich der Tonfall vom Markigen der Ankündigung zum Vagen der Andeutung. Fast wünscht man sich den Konjunkturaufschwung schon deshalb herbei, um sich diese Wiederholung zu ersparen. ULRIKE WINKELMANN