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Archiv-Artikel

bahn-beschwerden Falscher Adressat

Man kennt die Schilder: „Unser Bahnhof ist eine Schande. Bitte beschweren sie sich bei Hartmut Mehdorn“, plakatieren Kommunalpolitiker sinngemäß in fast jedem Dorf, dessen Bahnhof vergammelt. Nun hat die Stadt Mülheim einen scheinbar konstruktiven Vorschlag gemacht: Sie will die Sanierung ihres Hauptbahnhofs mit Steuermitteln finanzieren, wenn die Bahn ihr das Gebäude für einen Euro überlässt. Doch die Bahn lehnt ab.

KOMMENTAR VONKLAUS JANSEN

Bahn-Chef Hartmut Mehdorn steckt in einer Zwickmühle: Er hat kein Geld, um alle 5.800 Bahnhöfe Deutschlands zu sanieren. Schließlich lautet sein Auftrag von Bundeskanzler Gerhard Schröder, die Bahn so schnell wie möglich börsenfit zu machen. Millionenausgaben für alte Gebäude sind da nicht drin. Dennoch kann Mehdorn Angebote wie das der Stadt Mülheim nicht ohne weiters annehmen: Verscherbelt er Bahnhöfe, verliert sein Unternehmen an Substanz – auch keine gute Voraussetzung für einen Börsengang.

Um dieser Zwickmühle zu entkommen, muss die Politik den Tunnelblick in Richtung Börse ablegen. Das Beispiel Mülheim zeigt: Wenn der Staat die Bahn mit der Brechstange zum Sparen zwingt, muss der Bund zwar weniger Verluste ausgleichen, doch bei der Sanierung kommen dafür Kosten auf die Kommunen zu – ein Verschiebebahnhof.

Schlimm ist das nicht: Verkehr ist Aufgabe der öffentlichen Daseinsvorsorge. Weil aber Gerhard Schröder das oft vergisst, ist er Adressat für Beschwerden – und nicht nur Hartmut Mehdorn.