: Ursache und Wirkung
Mit einer „förmlichen Entschuldigung“ für die Zerstörungen im Bombenkrieg könnte sich die britische Königin nächste Woche bei ihrem Besuch in Dresden beliebt machen – bei den falschen Leuten
VON MICHAEL BARTSCH
Die Deutschen sind doch noch etwas besser als ihr Ruf auf der britischen Insel. Bei einer Spontanumfrage vor der Dresdner Frauenkirche spricht sich immerhin eine Zweidrittelmehrheit gegen eine förmliche Entschuldigung der Queen bei ihrem bevorstehenden Deutschlandbesuch aus. Vielleicht wäre die Ablehnung weniger deutlich ausgefallen, stünde die Frauenkirche noch als Ruinenstumpf infolge des Bombenangriffs vom 13. Februar 1945 da – und nicht als, pardon, brandneue Touristenattraktion. Dabei fällt auf, dass gerade die auswärtigen Touristen eine aufgeklärtere Sicht auf die Vergangenheit haben als manche Dresdner. Sie verwechseln nicht Ursache und Wirkung. „Wo sich der Bundeskanzler dann überall entschuldigen müsste …“, sinniert ein Hamburger Gast. Differenziert wird auch zwischen persönlicher und kollektiver Verantwortung.
Eine Dresdnerin hingegen hat „eigentlich“ Achtung vor der Queen und traut ihr gerade deshalb eine Entschuldigung für die Verwüstung des Dresdner Stadtzentrums zu. Bei ihrem Besuch 1992 in der Elbestadt hatte die Monarchin die damals noch mahnend-ruinöse Frauenkirche ignoriert.
Dass der NPD-Bundesvize Holger Apfel, zugleich neuer Fraktionsvorsitzender im Sächsischen Landtag, von ihr jetzt Abbitte fordert, überrascht nicht. Eher schon das publizistische Geschacher um diese Frage, bei dem der britischen Presse nun wirklich nicht nur Unschuld bescheinigt werden kann.
Das derzeit so leicht entzündliche Gasgemisch besteht aus zwei Komponenten. Da ist zum einen das Deutschlandbild auf der britischen Insel. Außenminister Fischer hat mit dem Feuerzeug geschnipst, als er flachste, junge Deutsche könnten den Stechschritt am besten im britischen Fernsehen lernen.
In der Tat: 2,3 Kriegsfilme werden im Tagesdurchschnitt gezeigt. Aus der Verkürzung auf 12 Jahre deutscher Nazidiktatur und den Sieg im Weltkrieg beziehen viele Empire-Erben Reste nationalen Hochgefühls. Nicht von ungefähr kommt daher eine Initiative, der sich unter dem Arbeitstitel „D-Sachsen-UK“ Sachsen als drittes Bundesland nach Berlin und Nordrhein-Westfalen angeschlossen hat. Goethe-Institut und British Council wollen gemeinsam das antiquierte Deutschlandbild korrigieren. Nicht mit plakativen Aktionen, sondern in beharrlichen bilateralen Kontakten zwischen Institutionen mit Multiplikationswirkung. Die junge Generation vor allem soll angesprochen werden. „Statt einer Entschuldigung sollte die Queen lieber etwas zur künftigen deutsch-britischen Entwicklung sagen“, meint der am Projekt beteiligte Dresdner Historiker Prof. Reiner Pommerin. Dieser Stagnation in Großbritannien steht ein subtiler Trend zum Geschichtsrevisionismus in Deutschland gegenüber.
Pommerin verneint eine solche Verschiebung in den Köpfen zwar. In Dresden aber werden die Veränderungen allein schon beim Vergleich zum Queen-Besuch 1992 sichtbar. Geradezu ängstlich wurden damals empfindliche Fragen aus dem Besuchsprotokoll ausgeklammert, die Medien hielten sich zurück.
Jetzt wünscht sich sogar Oberbürgermeister Ingolf Roßberg (FDP) zwar keine Entschuldigung, aber eine „Geste der Versöhnung“ wie beim Kuppelkreuz für die Dresdner Frauenkirche. Als ob es dies- und jenseits des Kanals nicht schon sensationell anmuten musste, dass mit dem „Dresden Trust“ und dem Herzog von Kent Briten dafür spendeten.
Das Gedenken zum 13. Februar in Dresden illustriert die Veränderungen am deutlichsten. Bis zum Beginn der Neunzigerjahre dominierte klar die selbstkritische Täterperspektive. Die Ehrung der deutschen Bombenopfer mündete unmittelbar in Friedensappelle und ein Gedenken an alle Gewaltopfer.
Es befremdete anfangs, als die ersten Nationalisten ihre unseligen Aufrechnungen deutschen Leids gegen das im Rest der Welt präsentierten. Dass ausgerechnet „Bomber-Harris“, dem umstrittenen britischen Oberbefehlshaber der Luftwaffe, 1992 in London ein Denkmal gesetzt wurde, empörte aber nicht nur Rechtsaußen.
Mittlerweile sind die Naziaufmärsche zu einer solchen Gefahr geworden, dass sich eine breite Initiative unter Beteiligung der Stadt gegen einen Missbrauch des 60. Gedenktages im nächsten Jahr gebildet hat. Aber auch die Bild-Zeitung geht schleichend David Irving auf den Leim, wenn sie die Zahl der Dresden-Toten nun schon auf 50.000 anwachsen lässt.
Im Kontext hierzu steht der weiter schwelende Streit um das sächsische Gedenkstättengesetz, in dem NS-Opfer eine Schieflage zu ihren Lasten sehen. Vertriebenenbücher und Erzählwerkstätten sind derzeit so en vogue wie Entschädigungsforderungen an die Nachbarn.
Bei den jüngsten deutsch-tschechischen Literaturtagen im Chemnitzer Raum spielten sudetendeutsche Erinnerungen eine beachtliche Rolle. Das muss man nicht gleich als Revisionismus denunzieren. Ein historischer Realismus, der den Opfern auf allen Seiten gerecht zu werden versucht, kann hemmende Lasten der Vergangenheit in der Enkelgeneration abschütteln helfen.
Um so anachronistischer muss deshalb die Forderung nach einer einseitigen Entschuldigung der Queen anmuten. Vor einem schleichenden Perspektivwechsel, für den auch die wachsende NPD-Resonanz steht, muss gewarnt werden.