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: Wahlergebnisse ohne Botschaft

Mögen der SPD die Mitglieder davonlaufen, mag sie in der Wählergunst in schwindelnde Tiefen stürzen: Sie ist und bleibt eine Volkspartei – wenn man darunter versteht, dass sich ihre Basis auch nicht anders verhält als der Rest der Bevölkerung. Wahlen werden in immer stärkerem Maße als Mittel der Abstrafung genutzt und immer weniger als Instrument, um die eigenen Ziele durchzusetzen. Die Delegierten in Bochum liegen im Trend. Die Basis ärgert sich und lässt das an der Führung aus. So weit, so verständlich. Nur leider wenig konstruktiv.

Kommentarvon BETTINA GAUS

Personalentscheidungen sind immer auch Richtungsentscheidungen. Ein schlechtes Ergebnis für den Vorsitzenden Gerhard Schröder, ein miserables für seinen Mitstreiter Wolfgang Clement und ein beispiellos verheerendes für Generalsekretär Olaf Scholz: Das hätte sich als klare Absage an den Kurs der Bundesregierung interpretieren lassen. Aber gestern wurden dann ausgerechnet die Kritiker dieses Kurses abgestraft. Ihr prominentester Vertreter Ottmar Schreiner, die Parteilinke Andrea Nahles und die DGB-Vize Ursula Engelen-Kefer schafften es erst im zweiten Wahlgang in den Parteivorstand. Das lässt sich nicht allein mit dem üblichen Proporz der Landesverbände erklären. Das ist ein Signal. Aber wofür?

Was die Basis möchte, ist schnell zusammengefasst. Sie will das, was sie immer will: eine erfolgreiche Regierung, gute Umfragewerte für die Partei und möglichst wenig Streit. Vermutlich wünscht sie sich darüber hinaus heiße Sonnentage im November. All das zugleich ist jedoch angesichts der Großwetterlage wenig realistisch. Schröder hatte Recht, als er forderte, auch die Delegierten müssten sich entscheiden. Aber niemand kann sie dazu zwingen, und sie haben es nicht getan. Einige Wahlergebnisse waren dramatisch, aber dennoch geht von ihnen keine klare Botschaft aus. Die Lage bleibt unübersichtlich.

Der Kanzler muss bei jeder neuen Zumutung damit rechnen, dass ihm Partei oder Fraktion die Gefolgschaft versagen. Vielleicht stützen sie ihn auch, zähneknirschend. Nichts Genaues weiß man nicht. Schlechtere Voraussetzungen dafür, dass die SPD aus ihrem Tief wieder herausfindet, kann es kaum geben. In ihrem Ärger über die Partei ist sich die Basis mit dem Rest der Bevölkerung einig. Aber es ist eigentlich nicht die vornehmste Aufgabe von Delegierten, ihren Gefühlen freien Lauf zu lassen.

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