: Der Fürst dankt ab
34 Jahre lang diente Gerd Schulte-Hillen dem Bertelsmann-Konzern. Er wagte gar, dem Ehepaar Mohn die Stirn zu bieten. Das war das Ende
von STEFFEN GRIMBERG
Zum Schluss war es ausgerechnet die Musik: Weil er den längst abgenickten Deal der Bertelsmann-Plattentochter BMG mit Sony Music plötzlich wieder in Frage stellte, war es mit Gerd „Bela“ Schulte-Hillens (63) Karriere bei Europas größtem Medienkonzern (RTL-Sender, Verlage, Buchclubs, Druckereien) plötzlich doch vorbei.
Nach 34 Jahren im Dienst der Eignerfamilie Mohn, die entscheidenden davon als Chef der Verlagstochter Gruner + Jahr in Hamburg (Stern, Geo, Brigitte). „Fürst Bela“ haben sie Schulte-Hillen am Bertelsmann-Stammsitz Gütersloh genannt, als Aufsichtsratschef wurde „der große Bindestrich“ die alles andere als graue Eminenz des Konzerns, über Schulte-Hillen stand nur noch Firmenpatriarch Reinhard Mohn selbst.
Schon einmal hatte Schulte-Hillen ins Musikgeschäft eingegriffen und eine vom damaligen Vorstandchef gewollte Megafusion – damals mit dem britischen Musikkonzern EMI – verhindert. Es war der Anfang vom Ende des Thomas Middelhoff. Schulte-Hillen waren die Expansions- und Börsenpläne des euphorisch-jugendlichen Vorstandschefs zu riskant. Der bodenständige Druckereispezialist aus dem Sauerland setzte sich bei den Mohns durch, Middelhoff wurde im Sommer 2002 spektakulär abserviert.
Doch Anfang 2003 geriet Schulte-Hillens Position in Gütersloh ins Wanken: Der Aufsichtsratschef fuhr – beleibe nicht zum ersten Mal – Gegenkurs zu Reinhard Mohn. Denn der 82-jährige Mohn hatte den Durchgriff seiner Familie – allen voran die Position seiner Frau Liz (62) – in den entscheidenden Gremien der nichtbörsennotierten AG deutlich gestärkt. Bertelsmann soll auch nach dem Tod des Firmenpatriarchen dauerhaft von der Familie gelenkt werden. Dann erschien auch noch Mohns Buch „Die gesellschaftliche Verantwortung des Unternehmers“, in dem er der Managerkaste – wohl noch als späte Reaktion auf Middelhoff – „Eitelkeit“, „Machthunger“ und „Größenwahn“ vorhielt. – „Irritiert“ war wohl jeder im Konzern, Klartext redete öffentlich aber nur einer: Schulte-Hillen. „Dass engagierte Führungskräfte brüskiert sind, kann ich nachvollziehen“, sagte er im Spiegel-Interview. Und dass es „nicht völlig auszuschließen sei“, dass aus dem Weltkonzern Bertelsmann nun eine „matriarchalisch dynastisch organisierte Familienfirma“ werde. Jetzt war das Verhältnis entgültig angeknackst.
„Ich bitte dann nur darum, den Rücktritt in der Öffentlichkeit als meine Initiative darzustellen. Dies ist der geringere Schaden für das Unternehmen, wenn ich von mir aus gehe. Streit soll es nicht geben.“ – Das hatte Schulte-Hillen schon 2002 an Mohn geschrieben, als er in der Auseinandersetzung um Middelhoff „Er oder ich“ gedroht hatte.
Diese Bitte immerhin wurde erfüllt: Man habe sich auf eine „einvernehmliche und freundschaftliche Beendigung“ der „wahrgenommenen Mandate verständigt“, heißt es in der offiziellen Mitteilung. Der Standardsatz von den „unterschiedlichen Auffassungen über die strategische Ausrichtung des Unternehmens“ wird bemüht: „Daraufhin hat Schulte-Hillen seinen Rücktritt (…) erklärt.“ Sein Nachfolger wird fürs Erste sein heutiger Stellvertreter im Aufsichtsrat, Dieter Vogel.
Der Weg für Europas größten Medienkonzern zur „matriarchalisch dynastisch organisierten Familienfirma“ ist frei.