: Parallele Ansichten im Parlament
Auch Abgeordnetenhaus debattiert über Multikulti. Die einzelnen Beiträge stammen aus wenig kompatiblen Parallelgesellschaften. Grüne: Berlin ohne Multikulti nicht denkbar
Wem es bislang noch nicht klar war, der musste gestern bloß im Abgeordnetenhaus zuhören: Beim Thema Integration liegen Welten zwischen Senat und Opposition, zwischen CDU und Grünen. Während die Union Multikulti für gescheitert erklärte, hält die SPD weiter die multikulturelle Gesellschaft hoch. Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann sprach von einer „Gesellschaft paralleler Welten, nicht nur in Berlin, aber hier besonders.“ Wer in Frage stelle, dass Berlin eine multikulturelle Stadt sei, stelle Berlin in Frage.
Statt eines Miteinanders habe sich ein Nebeneinander entwickelt, sagt CDU-Fraktionschef Nicolas Zimmer. Zunehmend würden auch Sozialdemokraten erkennen, dass man derzeit die Früchte einer verfehlten Politik ernte – wie der Neuköllner Bürgermeister Heinz Buschkowsky, den der Tagesspiegel vor knapp zwei Wochen im Titel sagen ließ, Multikulti sei gescheitert. Dass man erst jetzt, aufgeschreckt durch die Ermordung des niederländischen Regisseurs Theo van Gogh, in einer Aktuellen Stunde im Abgeordnetenhaus über Integration diskutiere, lastete Zimmer der SPD an.
Das war selbst PDS-Fraktionschef Stefan Liebich zu viel, dessen Job es sonst nicht ist, den Koalitionspartner zu entschuldigen: Bei CDU-Kampagnen wie „Deutschland muss in Kreuzberg erkennbar sein“ sei es kein Wunder, dass es mit der SPD unter Schwarz-Rot keine Einigung gegeben habe. Auch die PDS finde es falsch, wenn Töchter aus muslimischen Familien nicht am Schwimm- oder Sexualkundeunterricht teilnehmen dürfen. „Aber unser Augenmerk gilt dabei nicht irgendeiner deutschen Leitkultur, sondern den Interessen der Kinder, Herr Zimmer“, sagte Liebich.
„Die Migranten müssen sich auf die deutsche Gesellschaft einlassen“, forderte Thomas Kleineidam (SPD). „Aber die deutsche Gesellschaft muss sie auch dazu einladen.“ Mit Repression erreiche man nur das Gegenteil. Sozialsenatorin Heide Knake-Werner (PDS) führte die Problematik nicht auf ethnische oder religiöse, sondern in erster Linie soziale Ursachen zurück. Darüber müsse man sprechen, sagte sie. „Dabei sollten wir uns aber davor hüten, dass die ärmeren Quartiere kaputt geredet werden. STEFAN ALBERTI