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Archiv-Artikel

Interner Druck auf Barghuti

Die Führung der Palästinenser versucht Marwan Barghuti, Chef der Fatah-Jugend, von einer Präsidentschaftskandidatur abzubringen. Der ziert sich noch

JERUSALEM taz ■ Gut sechs Wochen vor den palästinensischen Präsidentschaftswahlen muss Fatah-Spitzenkandidat Machmud Abbas zunächst einen parteiinternen Gegner ausschalten. Marwan Barghuti, Chef der Fatah-Jugend im Westjordanland, erwägt, entgegen der Entscheidung des Fatah-Zentralrats, sich selbst für die Wahl aufstellen zu lassen. Die dafür notwendigen 5.000 Unterschriften liegen bereits vor. Mit der Mission, Barghuti von einer Kandidatur abzubringen, traf der palästinensische Minister Kadoura Fares den von der israelischen Justiz zu fünfmal lebenslänglicher Haftstrafe Verurteilten gestern in seiner Zelle.

Zu den Angeboten der Parteiführung für eine Kompromisslösung gehört das Versprechen, eine Generalkonferenz der Fatah abzuhalten. Der genaue Termin dafür soll innerhalb von 24 Stunden bekannt gegeben werden. Die Generalkonferenz trat 1987 zum letzten Mal zusammen. Ferner sollte Barghuti, „auf strategischer Ebene in Entscheidungen einbezogen werden“, so erklärte Fares gegenüber der „Stimme Israels“.

Die Nominierung Abu Masens war auf schwere Kritik der Fatah-Jugend gestoßen, die nicht an der Entscheidung für den Kandidaten beteiligt war. Abu Masen gehört zum alten Lager der Parteimitbegründer, während die „Schabiba“, die Fatah-Jugend, Barghuti favorisiert.

Er gilt als „Chef der Straße“ und gestaltete die beiden palästinensischen Volksaufstände entscheidend mit. Bereits im Vorfeld seiner Verhaftung im April 2002 hatte Barghuti parteiinterne Wahlen und damit mehr Mitsprache des Nachwuchses voranzutreiben versucht. Seine Gefängnishaft steigerte die Popularität und seinen Bekanntheitsgrad zusätzlich. Bis zum Tod von Palästinenserpräsident Jassir Arafat stand Barghuti auf Platz zwei der Beliebtheitsliste palästinensischer Politiker. Jüngste Umfragen geben hingegen Abu Masen die besseren Chancen.

Israels Premierminister Ariel Scharon hatte die Minister wiederholt dazu angehalten, nicht den Eindruck entstehen zu lassen, Israel wolle sich in die palästinensischen Angelegenheiten einmischen. Die Entscheidung, Fares den Gefängnisbesuch zu ermöglichen, folgte intensiven Beratungen noch in der Nacht zu gestern. Offenbar bestand Sorge, die Genehmigung könne als Versuch der Einflussnahme auf die palästinensische Wahl interpretiert werden.

Eine Kandidatur und der mögliche Wahlsieg Barghutis würde den internationalen Druck auf Israel erhöhen, den Verurteilten entweder aus der Haft zu entlassen oder zumindest ihrer ungeachtet die Verhandlungen mit dem neuen Präsidenten aufzunehmen. Die parteiinternen Machtkämpfe und eine mögliche Stimmenaufspaltung der Fatah-Wähler würden zudem die Chancen dritter Kandidaten steigern.

Noch ist unklar, ob die Hamas an den Wahlen teilnehmen wird. Die islamische Widerstandsbewegung ist die zweitgrößte palästinensische Partei.

SUSANNE KNAUL