: Sparprogramm für Kölner Pänz
Nach den Plänen der Landesregierung sollen bis 2007 die Mittel für Kinderhorte zu Gunsten der Offenen Ganztagsschule „umgeschichtet“ werden. Das bedeutet das Ende für alle Kölner Horte
VON SUSANNE GANNOTT
Fast wie „richtige“ Politaktivisten sprechen Charlotta (8) und Elena (9) Passanten an: „Wollen Sie nicht für unseren Hort unterschreiben?“ Die meisten wollen, und da am Samstagmittag auf der Sülzburgstraße reger Einkaufsverkehr herrscht, sind die Unterschriftenlisten des „Sülzer Schülerladens“ schnell voll. Eltern, Erzieher und Kinder des eingetragenen Vereins wehren sich mit der Aktion gegen die Schließung ihres Horts, die mit dem Ausbau der Offenen Ganztagsschule droht.
Die rund 600 Unterschriften vom Samstag werden der Caritas übergeben, die mit ihrer Aktion „Pro Hort“ derzeit in ganz NRW Stimmung gegen die Pläne der Landesregierung macht. Danach sollen bis 2007 die Landesmittel für Horte und ähnliche Programme zugunsten der Offenen Ganztagsschule „umgeschichtet“ werden. Das bedeutet das Ende aller Horte, denn die Kommunen und freien Träger sind auf die Zuschüsse angewiesen.
Viele Eltern fürchten jetzt, dass ihre Kinder in der Offenen Ganztagsschule schlechter betreut werden. Denn im Hort gibt es für 10 Kinder eine Betreuung, bei der ‚Offenen‘ kommen auf eine Fachkraft 50 Kinder. „Die Offene Ganztagsschule ist doch nur eine Verwahranstalt“, meint daher Dorothee Engels, Mutter von Jacob (9). Uli Hahn, im Schülerladen als Sozialpädagogin angestellt, regt besonders auf, dass laut Regierungserlass bei „pädagogischer Eignung“ auch Eltern, Senioren und Studenten die Betreuung übernehmen können: „Diese Abwertung unseres Berufs macht mich total sauer.“
Das sieht Alfred Weber, Direktor der katholischen St. Nikolaus-Grundschule in Zollstock, freilich nicht so eng. Seine Schule ist eine von fünf in Köln, die seit dem neuen Schuljahr bereits Offene Ganztagsschule sind. Zwar werden auch in St. Nikolaus die 88 Ganztagskinder vornehmlich von Müttern betreut, die auf 400-Euro-Basis angestellt sind: „Aber zwei davon sind Erzieherinnen, und auch die anderen haben hohe Fachkompetenz“, lobt Weber. Stolz ist der Direktor auch auf die zusätzlichen Nachmittagangebote seiner Schule: Von Basketball bis Tanzen können die Kinder aus einer Palette von AGs wählen. Die meisten indes kosten extra, von 10 bis 72 Euro im Halbjahr. Und Weber gibt zu: „Bei 38 Euro pro Monat für die Ganztagsschule und 42 Euro fürs Mittagessen stoßen hier einige Eltern an ihre finanzielle Grenze“ – zumal die Elternbeiträge ja auch nicht mehr wie bislang sozial gestaffelt sind.
Finanziell vorteilhaft ist das neue Betreuungsmodell vor allem für die Stadt Köln, wie die Projektleiterin des Schulverwaltungsamts, Rita Gorklo-Blameuser, zugibt: „Die Stadt spart Geld, denn unser Beitrag zur Offenen Ganztagsschule ist geringer als der für Horte.“ Das ist ziemlich vorsichtig formuliert. Denn von den 1.250 Euro, die ein Platz in der ‚Offenen‘ kostet, zahlt Zweidrittel das Land, für die Stadt bleiben also nur 420 Euro – und die holt sie sich über den Elternbeitrag wieder rein.
Andererseits werden in den kommenden Jahren in dutzenden Kölner Grundschulen Investitionen fällig: Küchen müssen eingebaut, Aufenthaltsräume gestaltet und Spielmöglichkeiten geschaffen werden. Dafür hofft die Stadt auf Investitionshilfe von Bund und Land.
Aber auch die Landesregierung braucht jeden Cent für ihr ehrgeiziges Programm: 160 Millionen Euro jährlich will Ministerpräsident Steinbrück (SPD) in seine „Bildungsoffensive“ stecken. Dafür sollen bis 2007 rund 200.000 Plätze in der „Offenen Ganztagsschule“ geschaffen werden, das wären fast doppelt so viele Betreuungsplätze wie bislang. Dass dabei die Qualität der Betreuung auf der Strecke bleibt, wundert Martin Künstler, zuständiger Fachbereichsleiter beim Paritätischen Wohlfahrtsverband NRW, nicht. „Ein Hortplatz kostet das Vierfache eines Platzes in der ‚Offenen‘. Man muss also den Standard senken, wenn man für das Geld mehr Plätze haben will.“