palast der kuhwinde von FRANK SCHÄFER
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Pünschel und ich waren von einem hausbauenden Freund nach Bremen eingeladen worden, um beim Dachdämmen zu helfen. Dämmung tat Not in diesen Breiten, denn hier gab es „Kuhwinde“, so nennt der Autochthone einen Sturm, der so stark ist, dass man sogar Rindviecher von der Weide nimmt, und es regnete waagerecht.

Unser gemeinsamer Freund hatte augenscheinlich Latten aus Hartholz besorgt, die vorgebohrt werden mussten, damit der Hunderter überhaupt hineinging. Oft genug wurde trotzdem nach dem Kuhfuß verlangt, weil der Stahlnagel nichts tat, außer Funken zu sprühen, und sich schließlich unter dem Hammer nur so krümmte. Da wieder! „O, jetzt wird er katholisch, der Hund!“, schrie Pünschel.

Ich gehörte nicht hierher. Aber Pünschel schien reinen Sauerstoff zu atmen, so ausgelassen und agil schwang er das Eisen in seiner Hand, so böse blitzten seine Augen.

Bei der ersten Bierpause um elf saßen wir im Kreis auf Ytong-Steinen, husteten die Glaswollefasern ab, die unsere Stimmen in etwa so dick belegten, wie es die Schlachtfette auf den dazugereichten Brötchen taten. Ich dankte übrigens. Pünschel aber nahm sich gleich zwei Hälften, biss herzhaft hinein und fing an, mit vollem Mund zu erzählen: „Kommt ein Mann zum Schlachter: ‚Ich hätte gern 250 Gramm Leberwurst, aber von der fetten, groben.‘ Sagt der Schlachter: ‚Tut mir Leid, mein Herr, aber die hat eine Woche Urlaub.‘ “

So also waren die Witze auf dem Bau. Ich wunderte mich und musste den Brechreiz unterdrücken, als nun einer der anwesenden Profi-Handwerker voller Vorfreude lächelnd zwei Blutwurstschrippen zusammenpappte, „Marke Eigenbau“ dazu sagte und mit solch kannibalischer Wollust seine Reißer in den Klumpen schlug, dass ein fingerkuppengroßer Speckpopel sich flüchtend auf meinem Schuh niederließ.

„Mit Senf is noch besser“, meinte der Selfmademan im blauen Einteiler, und er betonte so eindrücklich das „noch“, dass man den Eindruck bekommen musste, auch ohne Senf sei eigentlich schon ganz gut.

„Reich ma den Zölligen rüber“, wandte sich Pünschel an mich, wohl nur um mein fragendes Gesicht noch einmal zu sehen, aber als ihm der Gourmet neben mir den Zollstock gegeben hatte, hebelte er dann doch noch ein weiteres Haake-Beck damit auf. Er wollte sich keine Blöße geben.

Als wir wieder zu arbeiten anfingen, bemerkte Pünschel mein verdrossenes Gesicht. „Mach dir nichts draus, wir haben alle mal angefangen“, tröstete er mich. „Bei meinem ersten Mal hatte mich der Polier, dem ich zuarbeiten sollte, auf dem Kieker. Der Hund wartete, umschlich mich lange, bis er seine Chance sah. Ich saß gerade auf dem Dixi, als er aufgeregt meinen Namen rief, immer wieder … Ich rief zurück, aber er schien mich nicht zu hören oder nicht hören zu wollen. Ich beeilte mich, hatte ja jetzt ohnehin keine Ruhe mehr, kletterte die erste Leiter hoch, aber hier war keiner, kletterte also auch noch die zweite hoch, ins Dach, und da sah ich die ganze Bande schon grinsend beim Bier zusammenstehen. ‚Is grade nichts‘, meinte er nur. Und fünf erwachsenen Menschen stand das Wasser in den Augen, so gute Laune hatten die …“