: Verwaltungsrichter segnen Studiengebühren
Nordrhein-Westfalens Studiengebühren verstoßen nicht gegen die Verfassung, so das Oberverwaltungsgericht Münster. Studierende, die das Fach gewechselt haben, können aber von einer „Orientierungsphase“ profitieren
MÜNSTER taz ■ Die Erhebung von Gebühren für Langzeitstudenten ist verfassungsgemäß und verstößt nicht gegen das Grundrecht der Ausbildungsfreiheit. Dies hat gestern das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster in vier Musterklagen von Studierenden der Universität und der Fachhochschule Köln entschieden. Bestätigt wurde dagegen das zum 1. Februar 2003 in Kraft getretene Studienkonten- und Studienfinanzierungsgesetz des Landes NRW. Es sieht die Erhebung einer Studiengebühr von 650 Euro pro Semester vor, wenn die so genannte Regelstudienzeit um mehr als das 1,5fache überschritten ist, und das überlange Studium nicht durch außergewöhnliche Umstände, die durch eine Härtefallregelung aufgefangen werden sollen, sachlich begründet werden kann.
Nach dem Urteil des 8. OVG-Senats gilt die Gebühren-Erhebung auch für Studierende, die noch vor dem neuen Gesetz ihr Studium aufgenommen haben. Mit Verweis auf das Renten- und Steuerrecht stellte das OVG fest, dass es grundsätzlich keinen Vertrauensschutz in der Weise gebe, dass sich eine Gesetzeslage nie ändern dürfe.
Auch die Notwendigkeit, auf das Problem der Langzeitstudenten zu reagieren, sieht das Gericht eindeutig bestätigt. Nach einer Statistik waren im Sommersemester des vergangenen Jahres 133.000 der rund 490.000 Studierenden in Nordrhein-Westfalen von den Studiengebühren betroffen. „Daran sieht man, welche Dimension das Problem hat“, sagte der Vorsitzende Richter am OVG, Max Seibert.
Dass die Gesellschaft nicht für eine beliebig lange Zeit die Kosten eines Studiums übernehmen könne, war auch das tragende Argument bei der Verabschiedung des Studiengebühren-Gesetzes im nordrhein-westfälischen Landtag. Und Gebühren für überlange Studienzeiten hält das OVG als „Lenkungsmaßnahme“, um zügige Hochschulabschlüsse zu erreichen, für grundsätzlich rechtmäßig. Da ein Studium in der Regelstudienzeit durchaus beendet werden könne, entstünden auch keine sozialen Barrieren, heißt es in der Begründung der Richter.
Bei den gesetzlichen Ausnahmetatbeständen darf es jedoch nach Ansicht des OVG nicht zu einer Ungleichbehandlung kommen. So können nach dem Urteil des 8. Senats alle Studierende, auch diejenigen, die vor Inkrafttreten des neuen Gesetzes nach dem ersten und zweiten Semester den Studiengang gewechselt haben, im Nachhinein von der anrechnungsfreien „Orientierungsphase“ profitieren. Deshalb sind in drei Verfahren Studierenden jeweils ein bis zwei zusätzliche gebührenfreie Semester zugestanden worden. Auch eine Revision ließen die Richter des Oberverwaltungsgerichts nicht zu. KLAUS BRANDT
AZ: 8 A 3358/04, 8 A3635/04, 8 A 3797/04 u. 8 A 3878/04