: Neue Paradigmen
Bremen möchte Kulturhauptstadt 2010 werden und wählte dabei den Weg von Kultur-Kürzungen bei gleichzeitigen Investitionen
aus Bremen KLAUS IRLER
Eine kostenintensive Bewerbung für den Titel „Kulturhauptstadt 2010“ bei leerem Städtsäckel – dieses Problem ist für alle Kulturhauptstadt-Bewerberstädte in Sichtweite, an der Weser ist es jetzt angekommen. Die Bremer Bewerbung, so das erklärte Ziel des Senats, soll ein Schwerpunkt der Jahre 2004 und 2005 sein. Ein Projekt, in das investiert wird – gleichzeitig sollten in allen Ressorts, einschließlich des Kulturressorts, die Eckwerte pauschal um 5,6 Prozent gekürzt werden. Kulturhauptstadt also bei gleichzeitigen Kultur-Kürzungen: Wie das zusammengehen soll, blieb in Bremen lange offen. Vergangenen Freitag war es dann schließlich so weit: Der Beschluss der Kulturdeputation zeichnet einen Bremer Bewerbungsweg vor, bei dem feststeht: Es wird dabei nicht ohne die Schließung von Einrichtungen gehen.
Kultursenator Hartmut Perschau (CDU) will die Zuschüsse für das Waldau-Theater und das Schnürschuh-Theater einstellen, das Kulturzentrum Kito soll ab 2005 nur noch Projektfördermittel bekommen, und dem Kulturzentrum Lagerhaus sollen im kommenden Doppelhaushalt empfindliche 100.000 Euro fehlen. Den Etat aller anderen Einrichtungen will Perschau pauschal um ein Prozent kürzen, was derzeit vor allem Klaus Pierwoß, den Intendanten des Bremer Theaters, heftig auf die Barrikaden bringt.
Gleichzeitig entschied sich der Kultursenator, eine Reihe von Institutionen von den Kürzungen auszunehmen und durch dreijährige Zuwendungsverträge abzusichern – aufgrund ihrer „besonderen Bedeutung“ für Bremens Kulturhauptstadt-Bewerbung. Und gleichzeitig wird es einen „Kulturhauptstadt-Fonds“ in Höhe von insgesamt 8,5 Millionen Euro geben, die zur Förderung von Projekten zur Verfügung stehen sollen – die gekürzten institutionellen Fördergelder sollen damit ausdrücklich nicht ausgeglichen werden.
Bleibt unter dem Strich festzuhalten: Der Bremer Kulturetat wird von 63,5 Millionen Euro im Jahre 2004 auf 58,2 Millionen im Jahr 2005 sinken – Sparbemühung damit erbracht. Parallel dazu gibt es eine 8,5-Millionen-Finanzspritze durch den „Kulturhauptstadt-Fonds“ – Investitionen, von denen in Bremen allerdings noch niemand weiß, wer sie nach welchen Kriterien vergeben wird. Beginnen wird damit ein Wettbewerb der Institutionen um die Mittel und ein Machtkampf der kulturpolitischen Akteure um die Entscheidungskompetenz.
Für Kulturhauptstadt-Intendant Martin Heller geht die Strategie des Kultursenators jedenfalls in die „richtige Richtung“. Auch wenn die institutionelle Förderung sinke, schlage via Kulturhauptstadt-Fonds „das Pendel am Schluss zugunsten der Kultur aus“. Heller begrüßt, dass Perschau „Qualität als Kriterium“ einführt, Qualität, die er als ein „Kriterium für den Modernisierungsprozess“ sieht, den Bremens Kulturhauptstadtbewerbung einleiten soll.
Für Uli Fuchs von der Projektgruppe Kulturhauptstadt findet mit dem „Kulturhauptstadt-Fonds“ ein „Paradigmenwechsel“ statt: Erstmals gebe es in Bremen investive Mittel für Kultur. Damit geht mit der Bremer Bewerbung eine neue Begründung für Kulturförderung einher: „Es geht um das innovative kulturelle Potenzial einer Stadt, das jenseits von reinem Standortmarketing beim Finanzsenator Akzeptanz findet“, so Fuchs. Klar, dass sich Intendant Heller hinsichtlich des Vergabegremiums für den „Kulturhauptstadt-Fonds“ wünscht: „Das Gremium muss klein sein und rasch entscheiden können. Und ich will dabei eine große Rolle spielen.“
Kulturpolitik und Kulturhauptstadt – was in Bremen heute zu einer mit Spannung erwarteten Bürgerschaftsdebatte führt, geht in anderen norddeutschen Bewerberstädten offensichtlich erstaunlich problemlos über die Bühne: „Wir schließen nichts. Der Etat bleibt konstant. Darüber hinaus wird der laufende städtische Etat mit 250.000 Euro aus Sponsorenmitteln aufgestockt“ sagt Jürgen Sperber, Pressesprecher der Stadt Braunschweig. Und auch Osnabrücks Kulturdezernent Reinhard Sliwka „musste keine Kürzungen hinnehmen – trotz desolater Gesamtsituation“. Der Osnabrücker Kulturhaushalt wird von 24 Millionen auf 24,6 Millionen im kommenden Jahr steigen, trotz eines Defizits von 40 Millionen im Verwaltungshaushalt. Und in Lübeck sei der Kulturetat Teil eines Etats, der auch Schulen, Kitas und Jugendprojekte beinhalte, so Sprecher Marc Langentepe. „Da herauszurechnen, wie sich die Ausgaben für Kultur entwickeln, kriegen wir auf die Schnelle nicht hin.“