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Archiv-Artikel

Lebenslanges Lernen wird zum Luxusgut

Die Weiterbildungsanbieter in NRW haben wegen Mittelkürzungen der Bundesagentur für Arbeit in den vergangenen beiden Jahren 7.000 Mitarbeiter entlassen müssen. Gewerkschaften demonstrierten gestern bundesweit

DÜSSELDORF taz ■ Über 5.000 Beschäftigte von Weiterbildungseinrichtungen haben gestern bundesweit gegen Kürzungen der Bundesagentur für Arbeit demonstriert. Auf Initiative der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) fanden auch in Nordrhein-Westfalen Betriebsversammlungen und Informationsrunden statt. Nach Angaben von ver.di sind allein in NRW seit Anfang 2003 mit 7.000 Stellen ein Drittel der Jobs bei Bildungsanbietern abgebaut worden, weil die Bundesagentur für Arbeit weniger Geld für Qualifizierung und Umschulung von Arbeitslosen bereit stellt. Bundesweit sollen sogar 30.000 Arbeitsplätze gestrichen worden sein.

Für Uwe Meyeringh, Fachbereichsleiter für Bildung und Wissenschaft bei ver.di in NRW, offenbart der „miese Haushalt“ der Bundesagentur einen „bildungspolitischen Skandal“. Geld, das ursprünglich in Fortbildungen für Arbeitslose investiert worden sei, werde zur Finanzierung der Umstellung auf das neue Arbeitslosengeld II verwendet. Vor allem die Finanzierung teurer und langfristiger Umschulungen bleibe so auf der Strecke, statt dessen würden nur noch kurzfristige Trainingskurse angeboten. „Gerade für ältere Menschen, die lange in einem Beruf gearbeitet haben, reicht das nicht“, sagt Meyeringh. Das vielfach eingeforderte „lebenslange Lernen“ sei so unmöglich.

„Berufliche Qualifizierung findet fast nicht mehr statt“, kritisiert auch Andreas Meyer-Lauber, NRW-Landesvorsitzender der GEW: „Arbeitslosen wird nur noch Mut zugesprochen. Es geht nur darum, irgendwie am Arbeitsmarkt zu überleben“.

Die Arbeitsvermittler verteidigen jedoch die Sparpolitik: „Was für uns zählt, ist die schnelle Integration in Arbeit. Wir haben nicht nur eine Verantwortung gegenüber den Arbeitslosen, sondern auch gegenüber den Steuerzahlern“, sagt Werner Marquis, Sprecher der Regionaldirektion NRW der Bundesagentur für Arbeit. Dass lange Umschulungen dabei wegfallen, sei durchaus gewollt. „Wir qualifizieren lieber fünf Leute schnell und kurz als eine Person langfristig mit ungewissem Erfolg“, so Marquis. Dass dabei Jobs bei Weiterbildungsanbietern verloren gehen, sei eine normale „Marktbereinigung.“

Die Bereinigung des Marktes trifft auch die großen Anbieter: Die RAG Bildung hat 120 Stellen gestrichen und dabei 90 Mitarbeitern betriebsbedingt gekündigt, die in Köln beheimatete TÜV-Akademie Rheinland hat in den vergangenen zwei Jahren 200 von 650 Arbeitsplätze abgebaut. Derzeit verhandelt das Unternehmen mit dem Betriebsrat über die Streichung von 200 weiteren Jobs. Die Geschäftsführung will ihre Zusammenarbeit mit der Bundesagentur für Arbeit zumindest in Westen Deutschlands drastisch herunterfahren. „Man kann nicht mehr vernünftig mit Bildungsmaßnahmen planen“, sagt Unternehmenssprecher Michael Schmidt.

Ein weiteres Problem für die Anbieter ist der enorme Preisdruck: „Es gibt Maßnahmen, die für 99 Cent pro Teilnehmerstunde vergeben werden“, sagt Schmidt. Für den GEW-Landeschef Meyer-Lauber sind seriöse Angebote für Arbeitslose erst ab fünf Euro finanzierbar. Mehr Geld von der Bundesagentur zu fordern, ist für Meyer-Lauber allerdings auch keine Lösung des Problems: „Man muss über Qualitätskriterien für Bildungsangebote reden. Sonst dreht sich der Strudel der Arbeitslosigkeit weiter nach unten.“ KLAUS JANSEN