: „Hey, frohe xmas und glg“
Ein erledigter Fall? Die Weihnachtspost in Zeiten des Internets. Große Gefühle kann man nur in einem Umschlag verschicken, sagen die einen. Kein Grund zum Kulturpessismus, sagen die anderen
VON PHILIPP MAUSSHARDT
Dass man Weihnachtsgrüße früher einmal von Hand mit einem Stift auf eine Karte geschrieben hat, dürfte bald schon zum Anekdotenschatz von Großeltern gehören, wenn sie ihren Enkeln von „damals“ erzählen. Vielleicht wird auch im Museum für Völkerkunde in Hamburg eines Tages „der letzte handgeschriebene Brief eines Deutschen“ unter einer Vitrine liegen.
Jedenfalls geht der Anteil der privaten Briefe und Postkarten seit Jahren ständig zurück. Nur die Alten retten die Statistik: Im vergangenen Jahr wurden noch 1,472 Milliarden private Briefe und Karten von der Post befördert. „Vielleicht wird man ja im Alter auf bestimmte Werte zurückgeführt“, mutmaßt Monika Siebert, Pressesprecherin der Post AG.
Der Deutschen Post ist jedenfalls nicht bang: „Den Brief hat man schon bei der Erfindung des Telefons tot gesagt, er wird auch das Internet überleben“, sagt Siebert. Um den guten, alten Brief in Ehren zu halten, ist die Post nun sogar unter die Buchverleger gegangen.
Vor ein paar Tagen stellte die Post den Briefroman von Wilhelm Schlote vor, „Post von meinem Opa“ – als ein Beispiel für kreative Briefe. „Bildhafte Kommunikation in ihrer schönsten Form“ zeige dieses Buch. „Mit poetisch und kreativ gestalteten Bildergeschichten hält er die briefliche Verbindung zu seiner Enkelin Charlotte in Köln. Die abgebildeten Beispiele beweisen, dass private Kommunikation per Brief interessanter und vielseitiger sein kann als andere Kommunikationsmedien.“
Wenn dagegen unter Jugendlichen heute überhaupt noch anlässlich eines Feiertages nette Grußbotschaften ausgetauscht werden, dann per SMS oder E-Mail. „Hey, frohe xmas und glg“. Letzteres steht für ganz liebe Grüße.
In Sekundenschnelle verschickt und in Sekundenschnelle schon wieder vergessen. Alles ist schneller geworden, auch das Grüßen. Warum erst in einem Postkartenladen nach einem passenden Motiv suchen und anschließend zu Hause am Schreibtisch nach Worten? Dann die Karte in einen Umschlag stecken, eine Briefmarke kaufen und aufkleben und schließlich in einen gelben Briefkasten werfen … damit der Empfänger die Botschaft mit drei Tagen Verspätung lesen kann.
„Große Gefühle erzeugen Sie weder mit einer E-Mail noch per SMS“, schreibt die Post Ag auf ihrer Internetseite www.briefeschreiben.de. Sondern man verschickt große Gefühle in einem Briefumschlag, frankiert mit 53 Cent. Und weil wahrscheinlich immer weniger wissen, wie das geht, wird dort das Prozedere auch noch erklärt. „Die Weihnachtsgrüße in einen Briefumschlag stecken und abschicken.“ Ach so.
„Das Gefühl, das wir heute noch mit einem privaten Brief verbinden, wird sich in 20 Jahren auf die E-Mail verlagert haben“, glaubt Peter Schlobinski, Professor für deutsche Sprachwissenschaft an der Universität Hannover. Sprache und Schreibstil bei Jugendlichen, stellt Schlobinski fest, haben sich durch die neuen Medien nur erweitert. „Sie ändern ihre Ausdrucksweise dem benutzten Medium an. Das ist eine Bereicherung und keine Verarmung von Sprache, also kein Grund zum Kulturpessimismus“, sagt der Professor. In einem Chatroom würde er von denselben Personen mit „Hallo Schlobi“ begrüßt, die ihn im Brief mit „Sehr geehrter Herr Professor Schlobinski“ anreden würden.
Die erste Weihnachtspostkarte stammt im übrigen von dem Engländer Henry Cole. Er war im November 1843 zu beschäftigt, um allen seinen Verwandten Briefe zum Weihnachtsfest zu schreiben. Darum beauftragte Cole seinen Freund, den Maler John Callcott Horsley, eine Grußkarte für ihn zu entwerfen. Horsley schuf eine dreiflügelige Karte nach Art eines Altarbildes. In der Mitte saß eine um den festlichen Gabentisch, die Eltern prosten sich zu. Die Aufschrift lautete: „Frohe Weihnachten und ein glückliches Neues Jahr“. Die restlichen Karten verkaufte Cole zu je einem Schilling. Das Geschäft lief so gut, dass die Idee weltweit Nachahmer fand. Von Horsleys Originalen existieren heute noch zwölf Exemplare. Alle befinden sich in Sammlerbesitz.
Heute bieten viele Firmen ihre elektronischen Weihnachtskarten im Internet an – mit Motiven von klassisch bis frivol. Der passende Textvorschlag wird bisweilen gleich mitgeliefert, wie bei www.weihnachtskarten-info.de: „Schnucky, ich wünsch dir total schöne Weihnachten. Hab dich wahhhhhhhhnsinnig lieb. Bernd“.