WOCHENÜBERSICHT: LAUTSPRECHER : Jörg Sundermeier sichtet die soziale Lage in der Stadt
Weihnachten, das Fest der Feste, an dem die Feiern noch Feiern sind. In dieser Zeit gibt sich auch die Linke versöhnlich, ob sie nun radikal, unorthodox, nervös oder satt ist. Also wird auf den Putz gehauen, der in diesem Fall eine Theke ist. Heute etwa feiert die Jungle Word im Festsaal Kreuzberg unter dem Motto „Too young to die“ sich selbst, wenn auch aus einem eher traurigen Anlass – sie geht nämlich unter, wenn sie nicht bald mehr AbonnentInnen hat. Zwar gelang es ihr mit einer Kampagne, das Blatt ins nächste Jahr hinüberzuretten, doch genug ist not enough. Heute aber wird wohl mehr getanzt als gejammert werden.
Eine andere der allzu vielen Antichristenpartys findet am Sonntag statt. In der Schliemannstraße 40 in Prenzlauer Berg wird etwas pseudomakaber „Christi Nachgeburt“ gefeiert. Es soll dort eine „posttraumatische Weihnachtstanzekstase“ stattfinden. Na ja – sagen wir es mit dem Wortwitzerbe der 68er: Wenn’s denn der Wahrheitsfindung dient.
Eine der wenigen erzpolitischen Ausnahmen im Christfestgetümmel soll hier allerdings besonders hervorgehoben werden: Die Initiative gegen das Chipkartensystem (unter dem Asylbewerber und -bewerberinnen trotz aller anders lautenden Lippenbekenntnisse auch in Berlin noch immer zu leiden haben) organisiert am Mittwoch mitten im Konsumtrubel einen „antirassistischen Weihnachtseinkauf“, und zwar im Edeka-Markt beim Rathaus Friedrichshain.
Es ist sehr einfach: Ihr selber kauft mit den Chipkarten ein, und die ChipkartenbesitzerInnen bekommen den Kaufwert in bar von euch wieder und können sich von dem Geld endlich kaufen, was sie wollen. Jetzt, wo selbst bei jenen, die keinen Deal mit Gott haben, die Nächstenliebe besonders hoch im Kurs steht, ist das doch eine ganz feine Sache.