Off-Kino
: Filme aus dem Archiv– frisch gesichtet

„Schatten im Paradies“ (OmU), 27. 12. im Filmmuseum Potsdam„After Life“ (OmU), 26. 12. im Arsenal 1„Der Mann mit der Kamera“, 28. 12. im Arsenal 2

Der Beginn einer Liebesgeschichte: Der Müllmann Nikander hat sich beim Reparieren des Autos die Hand verletzt; Blut rinnt ihm den Arm hinunter. Die Supermarktkassiererin Ilona sagt im gleichen Tonfall, in dem sie ihm den Betrag für seinen Einkauf nennt: „Da muss ein Pflaster drauf.“ Er trägt den blauen Overall des Müllentsorgungsunternehmens, sie den roten Kittel der Supermarktkette: Das passt – auch wenn es wahrlich nicht einfach werden wird mit dem Zusammensein. In den Filmen Aki Kaurismäkis bestimmt das Sein das Bewusstsein: Die Handlungsweisen seiner Protagonisten leitet der Regisseur ausschließlich aus ihren Lebensumständen her. Am Anfang von „Schatten im Paradies“ steht deshalb der Blick auf Nikanders Arbeitsalltag, überaus präzise entwirft der Film in wenigen Minuten die Perspektive eines ganz und gar trostlosen Lebens. Deshalb scheint Nikanders Versuch, eine Beziehung zu Ilona aufzubauen, zunächst auch zum Scheitern verurteilt zu sein: Beiden sind ihre Gefühle peinlich, die Gesten misslingen, man findet keine Worte. Doch Kaurismäkis Figuren sind hartnäckig, und jeder tragikomische Reinfall beinhaltet auch die Chance eines Neuanfangs. Dabei wird das Beziehungsdrama mit einer gnadenlosen Lakonik vorgetragen, die einen weiteren wichtigen Bestandteil von Kaurismäkis Kino begründet: den trockenen schwarzen Humor, der den Regisseur weit über die Grenzen Finnlands hinaus bekannt gemacht hat.Die Geschichte ist pure Fantasie, doch die dramaturgische und bildliche Gestaltung von Hirokazu Kore-edas „After Life“ gleicht beinahe einer Dokumentation: Die frisch Verstorbenen treffen auf dem Weg zum Paradies in einem Verwaltungsgebäude ein und begegnen einer Gruppe von Sachbearbeitern. Die suchen nach der schönsten Erinnerung der Verblichenen, die verfilmt werden soll und mit der die Toten dann ins Paradies eingehen. Doch bald wird klar: Das ist schwieriger als von den Toten zunächst angenommen. Denn welche war wirklich die schönste? Und liegt das Schreckliche nicht manchmal verdammt nah am Schönen? Und will man wirklich mit einer Second-Hand-Erinnerung in die Ewigkeit eingehen und noch dazu mit nur einer einzigen? Kore-edas Film ist eine ebenso philosophische wie unterhaltsame Studie über das Erinnern; der dokumentarische Touch (starre Kamera in den Interviews, Handkamera in den Arbeitsbesprechungen der Sachbearbeiter) verankert die Story dabei fest in der Realität.Der bekannteste Film des sowjetischen Experimentalfilmpioniers Dziga Wertow, „Der Mann mit der Kamera“, thematisiert das Filmemachen: Während der Regisseur einerseits den Filmapparat als technisches Auge erfahrbar macht und seinen Einfluss auf die Abbildung von Realität verdeutlicht, wird andererseits der Weg des Filmmaterials von der Aufnahme über den Schnitt bis zum Kinosaal nachvollzogen. Wertows Ziel war dabei die Umsetzung der Theorie von der so genannten absoluten Filmsprache, die sich aus den Zwängen des Theaters befreit.LARS PENNING