Den Ausschuss böse vorgeführt

Verlegung des „Kinderglücks“: CDU und GAL fühlen sich von SPDler Johannes Kahrs über den Tisch gezogen

Der Beschluss: ein Skandal. Seine Hintergründe: mysteriös. Die Entscheidung des Jugendhilfeausschusses im Bezirk Mitte, das „Kinderglück“ – einen Treffpunkt für Vorschüler und Schüler – aus Kostengründen von der ruhigen Beckstraße ins Haus der Jugend St. Pauli an der Schilleroper zu verlegen – löst Kopfschütteln im Schanzenviertel, aber auch bei vielen Bezirkspolitikern aus. Denn die angestammten, zum Teil erst fünfjährigen Besucher des Horts müssen fortan die achtspurigen Ausläufer der Stresemannstraße in Höhe des Neuen Pferdemarkts überqueren, wenn sie nach der Schule zu dem Kinderhort gelangen wollen.

Jetzt kommt heraus: Der Beschluss, der am Nikolaustag von dem Ausschuss den Kindern in den Schuh gelegt wurde, war handstreichartig in das Gremium eingebracht worden. CDU und GAL fühlen sich übertölpelt. Der Strippenzieher vor und hinter den Kulissen: Der einflussreiche SPD-Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs, der zudem seit 1993 dem bezirklichen Jugendhilfeausschuss vorsitzt.

„Der Antrag wurde unter Führung von Kahrs ohne Not erst in der Sitzung zur Entscheidung vorgelegt, auf die Schnelle vorgestellt und in verdächtiger Eile mit rot-grüner Mehrheit durchgedrückt“, erinnert sich der CDU-Bezirksabgeordnete Peter Herkenrath noch genau an die Abstimmung. Derart getrieben enthielten sich die Christdemokraten der Stimme, nachdem ihr Antrag auf Vertagung niedergebügelt worden war. „Wir hatten Beratungsbedarf, doch unsere Fragen blieben unbeantwortet“, resümiert Herkenrath, der das Durchpeitschen für „unüblich, stillos“ und „eine Rücksichtslosigkeit gegenüber den betroffenen Kindern im Stadtteil hält“.

Inzwischen hat auch die CDU sich informiert und ist zu einer kritischen Haltung gekommen. „Die gute Arbeit von Kinderglück wird durch den Umzug weitestgehend zerstört“, glaubt Herkenrath. Doch die Rekordtempo-Entscheidung ist gefallen. Neben der „mysteriösen“ Eile von Johannes Kahrs wundert den Unions-Abgeordneten vor allem „dass die Grünen das mitmachen“. Herkenrath: „Die schlucken in Mitte alle Kröten, die sie vor Jahren noch über die Straße getragen haben.“

Tatsächlich verdient auch das Verhalten der grünen Ausschussmitglieder Lothar Knode und Katharina Weyandt das Prädikat „mysteriös“. Gerade mal vier Tage vor der Nikolaus-Überraschung im Ausschuss beschloss die GAL-Mitte auf einer Fraktionssitzung, der von der Verwaltung geforderten Verlegung des Kinderglücks nicht zuzustimmen – doch beide GAL-PolitikerInnen ignorierten das Votum.

Weyandt etwa will von dem Fraktionsbeschluss „nichts gewusst“ haben. „Wir wurden mit Hilfe der Tischvorlage vorgeführt und von der Verwaltung dann auch noch lückenhaft und teilweise falsch informiert“, begründet die grüne Ausschussvertreterin ihre damalige Zustimmung zu dem Eilantrag.

Nadja Grichisch, Mitglied der GAL-Fraktion und stellvertretendes Ausschussmitglied ohne Stimmrecht, räumt selbstkritisch ein, „mit der Situation im Ausschuss völlig überfordert“ gewesen zu sein: Grichisch wörtlich: „Das war keine Glanzleistung von uns – wir haben uns da eine blutige Nase geholt.“

Für den GAL-Fraktionsvize Michael Osterburg hat seine Partei mit der Zustimmung zur Kinderglück-Verlegung nun ein „Riesen-Problem“ an der Backe. Osterburgs Fazit: „Wenn unsere Bedenken nicht zerstreut werden, muss diese Entscheidung revidierbar sein.“ Marco Carini