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Archiv-Artikel

Schuldenmoratorium für drei Flutländer

Pariser Club der Gläubigerstaaten bietet Indonesien, Sri Lanka und den Seychellen ein Aussetzen ihrer Kredittilgung an. Nichtregierungsorganisationen fordern aber mehr als nur eine Stundung. Sie wollen eine Strategie zur Entschuldung

BERLIN taz ■ Indonesien, Sri Lanka und den Seychellen sollen wegen der Zerstörungen durch die Flutkatastrophe Schulden gestundet werden. Dies kündigte Frankreichs Finanzminister Hervé Gaymard in einem Radiointerview vor der gestrigen Sitzung des so genannten Pariser Clubs in der französischen Hauptstadt an. Andere betroffene Länder, damit gemeint waren offenbar Thailand, Indien, Malaysia und die Malediven, hätten ein solches Moratorium abgelehnt, so Gaymard. Die Länder befürchten eine Herabstufung ihrer Kreditwürdigkeit.

Der Pariser Club, ein seit 1956 bestehender informeller Zusammenschluss von zur Zeit 19 westlich orientierten Gläubigerstaaten plus Russland, wollte noch gestern Abend das Moratorium und die damit verbundenen Bedingungen verkünden. Offen war die Dauer des Moratoriums und ob für die gestundeten Beträge Zinsen gezahlt werden müssen. Nach Informationen aus Indonesien sollte die Stundung ein Jahr betragen. Bereits im Vorfeld hatten die G-7-Staaten grundsätzlich einem Moratorium für von der Flutkatastrophe betroffene Staaten zugestimmt. Ein weiter gehender Schuldenerlass galt dagegen als unrealistisch. Indonesien ist mit 132 Milliarden US-Dollar im Ausland verschuldet, davon der Staat mit rund 77 Milliarden. Mit 28,5 Milliarden steht das Land bei den Gläubigerstaaten des Pariser Clubs in der Kreide. Der Schuldendienst beträgt knapp drei Milliarden Dollar pro Jahr, davon etwa ein Drittel an den Pariser Club. Außenminister Hassan Wirajuda hatte sich schon am Dienstag in Paris für ein Schuldenmoratorium bedankt. Geld sei jetzt aber wichtiger als Schuldenerleichterungen. Seine Regierung schätzt die Kosten des Wiederaufbaus in Aceh bis 2010 auf 1,1 Milliarden Dollar.

Sri Lankas Schulden betragen rund 9,6 Milliarden Dollar und die der Seychellen 560 Millionen. Indien, Thailand und Malaysia sind zwar mit 104,4 Milliarden, 59,2 Milliarden und 48,6 Milliarden Dollar relativ hoch verschuldet, doch mit ihren stärkeren Volkswirtschaften erwarten sie nach der Flut offenbar keine größeren finanziellen Probleme. Die Schulden der Malediven betragen 270 Millionen.

„Ein Schuldenmoratorium kann eine angemessene Antwort auf die durch die Flut eingetretene Situation sein“, sagte Ivan Hadar vom „Forum für Indonesische Endwicklung“ (Infid) in Jakarta, einem Zusammenschluss von 80 indonesischen und internationalen Nichtregierungsorganisationen, gestern der taz. Doch das Moratorium müsse alle Verbindlichkeiten betreffen und nicht nur die gegenüber dem Pariser Club. Die Stundung müsse zinsfrei sein, weil sonst später die Schulden noch höher seien.

„Ein Moratorium kann Luft schaffen, um die dringend nötige Nothilfe und den mittelfristigen Wiederaufbau zu finanzieren“, so Hadar. „Es ermöglicht auch ein Überdenken der gesamten Strategie zur Überwindung der Verschuldung.“ Das Moratorium sollte fünf Jahre dauern.

Die Infid-Organisationen kritisieren das Management der indonesischen Verschuldung seit langem. Die sei jetzt die dritte Umschuldung seit 1998. Deshalb sei eine mutige Lösung gefordert wie der Schuldenerlass von 1970. Damals waren nach dem Sturz von Präsident Sukarno und einer schweren innenpolitischen Krise dem Land die Hälfte seiner Schulden erlassen worden.

Infid fordert eine UN-Schuldenkonferenz für Indonesien, auf der für alle Schulden des Landes – staatliche wie private, in- wie ausländische – eine Lösung erarbeitet wird. Der Schuldendienst müsse der Fähigkeit des Landes angepasst werden, die UN-Millenniumsziele zu erreichen. Auch sei die Rechtmäßigkeit der Schulden aus der Suharto-Zeit zu prüfen. SVEN HANSEN

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