platzverweis : Mit der Lizenz zum Schummeln
Der DFB-Schiedsrichter Robert Hoyzer soll Fußballspiele der zweiten Bundesliga und des DFB-Pokals manipuliert haben, auf die er zuvor gewettet hatte
Die Vergleiche mit dem Bundesligaskandal 1971 waren schnell bei der Hand, sind aber etwas weit hergeholt. Wenn ein Fußball-Schiedsrichter Spiele manipuliert, um seine Einnahmen über Wettgewinne ein wenig aufzubessern, wie dies dem 25-jährigen Berliner Robert Hoyzer vorgeworfen wird, dann ist das schäbig, aber doch etwas anderes als eine Verscherbelung von Punkten und Siegen durch eine Vielzahl von Funktionären und Spielern. Und die Affäre Hoyzer, darauf legte Harald Stenger, Pressesprecher des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), gestern gesteigerten Wert, sei „nach unserem jetzigen Kenntnisstand ein absoluter Einzelfall“.
Doch auch wenn das so sein sollte, hat der junge Mann mit der Lizenz zum Schummeln seiner ohnehin gebeutelten Zunft einen echten Bärendienst erwiesen. Passive Abseitsentscheidungen wie auf Schalke, Abseitstore wie das von Dortmunds Koller in Wolfsburg, aberkannte Treffer wie der von Freiburg in Rostock haben einen anderen Beigeschmack, seit herauskam, dass Hoyzer Spiele aus pekuniären Erwägungen verschoben hat – oder es zumindest versuchte. Explizit genannt wurde die Pokalbegegnung der ersten Runde, die der Hamburger SV beim SC Paderborn nach 2:0-Führung noch 2:4 verlor. Dabei hatte Hoyzer, der außer im Pokal bislang nur in der 2. Bundesliga und der Regionaliga zum Einsatz kam, zwei absurde Elfmeter für die Gastgeber verhängt und den darob empörten HSV-Stürmer Emile Mpenza wegen Beleidigung vom Platz gestellt. Auch andere von Hoyzer geleitete Matches wurden durch dubiose Pfiffe, häufig Strafstöße, beeinflusst. Beim Spiel Unterhachings gegen Saarbrücken zum Beispiel sprachen Agenturen von einem „fragwürdigen Elfmeter nach vermeintlichem Foul“. Hachings Copado verschoss jedoch, sein Team verlor 1:3.
Einzelfall oder nicht, was bislang nur aus anderen europäischen oder asiatischen Ligen zu hören war, ist nun auch im deutschen Fußball angekommen. Grundlage all dieser Skandale sind jene Fußballwetten, die hierzulande immer beliebter werden und von denen auch die Verbände gern profitieren. Ruft man die Homepage der Deutschen Fußball-Liga (DFL) auf, springt einem das Logo eines Wettanbieters entgegen, die staatlich gebundene Sportwette Oddset wiederum trägt erheblich zur Finanzierung des DFB und der WM 2006 bei.
Die Vielzahl von Anbietern und die bequeme Teilnahme über das Internet machen es schwer, die Dinge zu kontrollieren, vor allem, wenn nur eine Einzelperson Wetten platziert, und nicht ganze Gruppen aktiv werden, so wie offenbar beim Zweitligaspiel Erzgebirge Aue – Rot-Weiß Oberhausen im Dezember. Damals hatten verschiedene Wettanbieter die Partie aus dem Programm genommen, weil ungewöhnlich hohe Summen auf einen bestimmten Verlauf gesetzt wurden, der dann auch eintrat. Der Kontrollausschuss des DFB stellte sein Ermittlungsverfahren nach kurzer Prüfung ein und wurde dafür vor allem von Wettanbietern scharf kritisiert. „Ist die brüderliche Nähe DFB/Lotto/Oddset der Grund, warum keine Untersuchung notwendig ist?“, fragte Detlef Train, Geschäftsführer der Salzburger Firma Intertops, damals. Die DFL sprang schließlich in die Bresche und leitete eine neue Untersuchung ein. Die Illusion von der heilen deutschen Fußballwelt war dahin, und DFB-Präsident Theo Zwanziger äußerte bereits damals die prophetische Sorge, dass „das Verführungspotenzial, Fußballspiele zu manipulieren“, größer werden könnte.
Diesmal stellte der DFB-Kontrollausschuss seine Untersuchung nicht gleich ein, dafür entzog sich Robert Hoyzer seinem Zugriff. Nachdem er alle Vorwürfe bestritten hatte, trat der Student als Schiedsrichter zurück und aus seinem Verein Hertha BSC aus. Vor staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen bewahrt ihn dies allerdings nicht.
Schon heute will sich das Präsidium des DFB zu einer außerordentlichen Sitzung treffen. Beratungen über den Umgang mit Sportwetten waren jedoch schon nach dem Fall Aue-Oberhausen geplant gewesen. Dabei geht es vor allem um stärkere Kooperation mit Wettanbietern in dieser Problematik und die Auswertung von Erfahrungen aus dem Ausland. Außerdem wird über Wettverbote für Spieler und Schiedsrichter nachgedacht, wie sie etwa in den amerikanischen Profiligen seit langem bestehen.
Sicher ist, dass die Ergebnisse der von Hoyzer möglicherweise manipulierten Spiele bestehen bleiben. Der HSV bleibt also pokalfrei, und auch Trainer Klaus Toppmöller, der sich nun als Opfer Hoyzers sieht, wird seinen Job, darauf kann man getrost wetten, nicht wiederbekommen.
MATTI LIESKE