ITALIEN/IRAK: EINE MAILÄNDER RICHTERIN IN DER GRAUZONE : Keine Terrorismus-Automatik
Freigesprochen, obwohl sie eine militante islamistische Gruppe im Irak unterstützt haben – in Italien schlagen die Wellen der öffentlichen Empörung hoch. Denn war der Sachverhalt nicht klar? Drei Maghrebiner sammelten Geld und schickten Kämpfer in den Irak. Extra für solche Fälle hatte Italien, genauso wie Deutschland, den Straftatbestand des internationalen Terrorismus eingeführt: um endlich die in Europa agierenden Unterstützer islamistischer Terrorgruppen zur Verantwortung ziehen zu können.
Aber so klar ist der Sachverhalt vielleicht in den USA, die sich ein Sonderrecht geschaffen haben, das Terrorverdächtige zu fast völlig rechtlosen Personen erklärt – ab nach Guantánamo. In Europa liegen die Dinge noch anders. Hier reicht es nicht, wenn der Angeklagte die falschen Freunde hat, hier muss man ihm schon selbst konkrete Taten nachweisen. Und selbst die neuen Paragrafen zum internationalen Terrorismus helfen da oft nicht weiter. Gewiss, die Mailänder Islamistengruppe war international ausgerichtet, sie unterstützte die Feinde der USA im Irak. Aber war sie auch terroristisch?
Nein, meint die Mailänder Richterin, die jetzt die drei Angeklagten in diesem Punkt freisprach. Ihr Urteil wirft eine alte Frage neu auf: Wann sind Kombattanten bekämpfenswerte Terroristen, wann neutral zu behandelnde Guerilleros, wann gar unterstützungswürdige Freiheitskämpfer? Eben diese Frage ist keineswegs beantwortet, bloß weil ein neuer Paragraf im Strafrecht steht. Im Falle von al-Qaida, im Falle der Anschläge von New York oder von Madrid, ja selbst im Falle al-Sarkawis mögen die Dinge klar liegen: Wer gezielt Zivilisten abschlachtet, die das einzige Vergehen begangen haben, zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen zu sein, egal ob in den USA oder im Irak, macht sich terroristischer Akte schuldig. Was aber, wenn eine paramilitärische Gruppe sich auf den Kampf gegen einen fremden Invasoren vorbereitet? Die Politik mag da, je nach Konjunktur und Konformität, bequeme Antworten haben. Die Justiz hat sie nicht. Mit Recht. MICHAEL BRAUN