Anti-Nazi-Marsch durch eine leere Stadt

Kieler Bündnis kritisiert „Panikmache“ im Vorfeld

KIEL taz ■ Unbeschadet hat die schleswig-holsteinische Landeshauptstadt ein heftiges Demonstrationswochenende überstanden. Mehr als 8.500 Menschen protestierten am Samstag gegen einen Nazi-Aufmarsch in der Kieler Innenstadt. Vereinzelt kam es dabei zu Ausschreitungen. Die Polizei, mit 2.900 Beamten im Einsatz, spricht von über 70 Festnahmen.

Am Abend zeigte sich Oberbürgermeisterin Angelika Volquartz (CDU) erleichtert, „dass die Stadt nicht zerstört worden ist“, als wäre sie just dem Krieg entronnen. Zuvor hatte die Politikerin empfohlen, die City an diesem Tag zu meiden. Die Lokalpresse rief aus „Angst vor Gewaltdemos“ vorsorglich den „Ausnahmezustand“ aus. Die Folge: Wie ausgestorben wirkte bereits am späten Vormittag die Fußgängerzone der Einkaufsstadt, mit wenigen Ausnahmen blieben die Läden geschlossen.

Scharfe Kritik an dieser „Panikmache“ äußerten die Veranstalter der großen Gegendemonstration, das lokale Bündnis „Runder Tisch gegen Rassismus und Faschismus“, dem ein gesellschaftliches Spektrum von Antifa über Migrantenverbände bis hin zur Wahlalternative angehört. „Wir lassen uns nicht kriminalisieren“, so ein Sprecher der Initiative. Trotz Schreckensmeldungen folgten dem Aufruf des Runden Tischs gut 7.000 Demonstranten. Am Morgen hatten sich 1.000 Menschen einem Protestzug des DGB, unterstützt durch alle Landtagsfraktionen, angeschlossen.

Zu Hakeleien kam es erst nach den Kundgebungen, als Protestierer mehrere Polizeisperren durchbrachen, Barrikaden errichteten und versuchten, zum Bahnhof vorzudringen. Dort hatten sich rund 450 Neonazis für einen von den „Freien Kameradschaften“ (FK) unter dem Motto „Gegen Multikulti und Hartz IV“ angemeldeten Aufmarsch gesammelt.

Der Polizeiriegel, der sie schützte, wurde mit Obst, Knallkörpern und Steinen beworfen. Wasserwerfer kamen zum Einsatz. Mit zweistündiger Verzögerung setzte sich der Nazitrupp in Bewegung, von einem doppelten Polizeikordon vor der empörten Menge geschützt. Die vorgesehene Route musste um zwei Drittel gekürzt werden.

Die NPD hatte den Kieler Aufmarsch im Rahmen ihres Landtagswahlkampfs wochenlang beworben. Kurzfristig sagte der Landesvorstand um Uwe Schäfer die Unterstützung jedoch ab. Die Präsenz von Landtagskandidat Peter von der Born beim Aufmarsch konnte er damit nicht verhindern. ANDREAS SPEIT, BES