: Auch Homos haben wilde Ehen
Nur das Bundesverfassungsgericht kann im Streit um ein Gerichtsurteil aus Düsseldorf klären, ob Hartz IV verfassungswidrig Homobeziehungen bevorzugt
FREIBURG taz ■ Liegt eine „eheähnliche Gemeinschaft“ vor, wenn zwei Schwule oder zwei Lesben ohne eingetragene Partnerschaft zusammenleben? Von der Antwort auf diese Frage hängt es ab, ob das Hartz IV-Gesetz verfassungswidrig ist. Letztlich muss das Bundesverfassungsgericht den vom Sozialgericht Düsseldorf aufgeworfenen Streit (siehe taz von gestern) vom Wochenende entscheiden.
Konkret geht es darum, ob Arbeitslose das neue Arbeitslosengeld II auch dann bekommen, wenn ein Mitbewohner gut verdient oder Einkommen hat. Das Gesetz sagt, dass bei Personen, die in einer „Bedarfsgemeinschaft“ leben, das Einkommen des Partners anzurechnen ist. Als Bedarfsgemeinschaft gelten die Ehe, die eingetragene gleichgeschlechtliche Partnerschaft und die eheähnliche Gemeinschaft. Die Düsseldorfer Richter gehen davon aus, dass der Gesetzgeber mit „eheähnlicher Gemeinschaft“ nur die klassische „wilde Ehe“ von Mann und Frau gemeint hat. Dies wurde beim Berechnen von Sozialhilfe bisher auch so praktiziert. Das Problem der Besserstellung von homosexuellen Partnerschaften, bei denen das Partnereinkommen bei der Sozialhilfeberechnung nicht berücksichtigt wurde, beschäftigte 1992 sogar das Bundesverfassungsgericht.
Die Richter urteilten damals, dass der Gesetzgeber typisieren darf und zusammenwohnende homosexuelle Paare vernachlässigbar selten vorkämen. Dies sei heute anders, finden die Düsseldorfer Richter. Die Homopartnerschaft sei als „sozialer Typus“ etabliert. Prominente zeigten sich öffentlich mit ihren gleichgeschlechtlichen PartnerInnen und der Gesetzgeber habe mit der eingetragenen Partnerschaft eine eigene Rechtsform geschaffen. Deshalb verstoße ein Bevorzugen der nicht eingetragenen Homobeziehung gegen den Gleichheitssatz des Grundgesetzes.
Als Konsequenz erklärten die Düsseldorfer Richter in ihrem Eilbeschluss von letzter Woche, sie werden nun auch bei heterosexuellen wilden Ehen das Partnereinkommen nicht mehr anrechnen. Spätestens im Hauptverfahren müssen sie aber den Fall an das Bundesverfassungsgericht abgeben, denn ein Fachgericht darf kein Gesetz für verfassungswidrig erklären und ignorieren. Denkbar, dass Karlsruhe dann die Richtervorlage für unzulässig erklärt, weil man das Hartz-IV-Gesetz auch anders auslegen könnte. Wenn man auch die nicht eingetragene Lebenspartnerschaft von zwei Männern und zwei Frauen als „eheähnlich“ ansieht, dann läge gar keine Ungleichbehandlung vor, so Karlsruhe.
Die Düsseldorfer Richter halten ein solches Auslegen des Gesetzes aber nicht für möglich. In ihrem Beschluss argumentierten sie außerdem, eine Bedarfsgemeinschaft liege beim bloßen Zusammenwohnen noch nicht vor, es gehe um „längerfristige Bindungen“ und die Bereitschaft, füreinander „einzustehen“. Das entspricht der geltenden Rechtsprechung. Das Gericht tadelte also nicht den Gesetzgeber, sondern das betroffene Sozialamt in Mönchengladbach. CHRISTIAN RATH