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Archiv-Artikel

Das Montagsinterview„Das fügt sich so“

Als der Rücken nicht mehr wollte, endete Volker Ippigs Fußballkarriere. Heute schwört er auf den Wert harter ArbeitKICKEN ODER KNACKEN Der frühere Fußballprofi Volker Ippig prägte einst das alternative Image des FC St. Pauli. Inzwischen betreibt er eine mobile Fußballschule, trainiert einen holsteinischen Verbandsligisten – und schuftet zum Broterwerb im Containerhafen

INTERVIEW ROGER REPPLINGER

taz: Wo waren Sie heute, Herr Ippig?

Im CTT.

Im Computer Terminal Tollerort.

Ja. Ist ein toller Ort.

Was haben Sie gemacht?

In einem Arschtempo Knacken gezogen.

Wie hieß das Schiff?

Warten Sie mal. Was mit „A“. Hmm. Ich glaub „Akritas“ – kam aus Hongkong.

„Knacken“, sind das die Dinger in den Ecken der Frachtcontainer, mit denen die aufeinander stehenden Container verbunden werden?

Genau. Wenn das Knackenziehen in einem Höllentempo abrollt, dann rollt das. Das kann man nicht stundenlang durchhalten, aber eine gewisse Zeit schon.

Schwere Arbeit.

Ja. Aber gute Arbeit, anständige Arbeit.

Wie sind Sie zu dem Job gekommen?

Ich hab mich bei der GHB, der Gesamthafenbetriebs-Gesellschaft, als Unständiger beworben. Die GHB ist der größte Personaldienstleister im Hafen. Die Laschereien und die GHB stellen das Personal fürs Löschen und Beladen der Containerschiffe. Die haben dann gefragt, ob ich auch bei Wind und Wetter und bei Nacht arbeiten will. Das schreckt schon mal die Ersten ab.

Sie nicht.

Nee. Mein Schwager arbeitet bei der GHB, der hatte schon mal gefragt, ob ich mir das vorstellen kann. Nun hab ich ihn gefragt, ob das Sinn macht. So hab ich mich beworben. Die Prognosen waren gut.

Und nun – Weltwirtschaftskrise?

Einige von den Unständigen sind abgesprungen und suchen nach krisensicheren und Dauerjobs, dadurch ist nun doch wieder Arbeit da.

Und die Bezahlung?

Ist gut, auch bei Neueinsteigern. Je mehr Patente und Qualifikationen man hat, desto besser wird die Arbeit bezahlt.

Wie läuft das als Unständiger?

Wenn Arbeit anliegt, werd’ ich angerufen und dann mach ich das: Stapler fahren, Laschen, Bananen aufs Band schmeißen, Tätigkeiten, für die man keine Patente braucht. Also nicht Checker, Tallyman, Decksmann und Brückenfahrer.

Das heißt an jedem Terminal anders.

Ja, das bringt einen am Anfang durcheinander. Auch die Anfangszeiten der Schichten sind unterschiedlich. Da muss man aufpassen. Aber das kapiert man schon.

Was ist besser: Auf dem Schiff laschen oder an Land?

Kann man so nicht sagen. Hast du eine Schicht, die gut läuft, ist es überall gut. Mir gefällt, dass ich überall im Hafen rumkomme. An allen Terminals, an Deck, an Land, große Schiffe, kleine – im ganzen Hafen.

Ein ziemlicher Unterschied zur Arbeit als Torwarttrainer in Wolfsburg.

Hmm. Weiß nicht, beides ist draußen, beides ist körperlich, nicht am Schreibtisch. Es regnet, es ist kalt, die Sonne scheint. Nicht so unterschiedlich.

Warum ist es beim VfL nicht mehr gegangen?

Ich hab doch auch als Torwarttrainer bei Wolfsburg immer noch so ein paar Kunden nebenbei gehabt, die mich mit der mobilen Torwartschule gebucht haben. Wenn ich in Wolfsburg war, drei Tage in der Woche, konnte ich das nicht machen. In der Zeit ist das abgestorben, das ist aber wichtig für mich, da ist immer einigermaßen was reingekommen. Als ich in Wolfsburg war, ging das gegen Null.

Das ist jetzt besser zu koordinieren?

Jo. Im letzten November hab ich nur drei Schichten als Lascher gearbeitet, da war ein Tief. Und sechs Schichten im März. Das lässt sich mit der Arbeit für den Schleswig-Holsteinischen Fußballverband, meiner Fußballschule und den TSV Lensahn besser vereinbaren.

Lensahn ist aufgestiegen.

Jo. Das war das schönste Erlebnis meiner sportlichen Karriere. Nach einer Odyssee von Spielen gab es ein Entscheidungsspiel. Wir liegen 1 : 3 hinten, schießen den Ausgleich zum 3 : 3. Verlängerung, Elfmeterschießen. Unser Torwart trifft, hält dann den 13. Elfer des Gegners, unser Kapitän macht ihn rein. Wir gewinnen 13 : 12. Das war ganz groß. Wir stehen auch in der Verbandsliga ganz gut da.

Und – geht noch was?

Eine Liga schaffen wir noch.

Und dann können Sie weiterhin als Lascher arbeiten?

Ja, so wild ist das nicht mit dem Training. Ich würde das Laschen gerne weitermachen.

Wird eigentlich auch an den vollautomatischen Terminals von Hand gelascht?

Da wird an Bord gelascht. Die Container werden untereinander mit den Knacken befestigt und mit Laschstangen über Kreuz gesichert, damit sie auf See nicht verrutschen, nicht kippen, nicht fallen. Die Ladefläche eines Containerschiffs ist in Bays eingeteilt, und die Container werden Bay für Bay gelascht. Je nach Schiff gibt es verschiedene Arten zu laschen, je nach Reederei, es gibt unterschiedliche Laschstangen. Und es gibt Wind- und Sturmlasching. Ich muss noch fragen, aber die erfahrenen Hasen wissen sofort, ob die Container eine Wind- oder Sturmlasching bekommen. Am besten ist, man kriegt eine komplette Seite. Man macht eine Bay, dann die nächste. Das macht Spaß, das ist Kraft- und Ausdauertraining.

Wie sind die Kollegen?

Das sind Typen, das ist toll. Alles Fußballfans. Das sind keine Muttersöhnchen-Fußballer, denen man Zucker in den Arsch blasen muss. Unter den Laschern gibt es ein paar wilde Kerle.

Das passt ja.

Hm.

Ab und an passiert was?

Jo. Ab und an.

Was passiert denn so?

Der Turney, also das Werkzeug, mit dem man die Querstangen festzieht, kann einem runterfallen und dem Kollegen auf den Kopf fallen. Oder die Knacke. Man kann von einem Container erdrückt oder einem Van-Carrier überfahren werden. Auf der Laschplattform, auf der man in großer Höhe lascht, ist man nicht angegurtet. Das würde zu sehr behindern, aber da kann auch eigentlich nichts passieren. Man kann aus dem Laschkorb fallen. In dem Korb sind zwei Lascher und der Tallyman. Der Laschkorb hängt statt eines Containers an der Brücke zum Öffnen der obersten Containerlage.

Sind in letzter Unfälle passiert?

Jo, aber nicht bei mir.

Das erste Mal auf der Laschplattform, wie war das?

Gewöhnungsbedürftig. Man kann durch die Plattform runtergucken. Aber nach einer gewissen Zeit ist das kein Thema mehr. Da ist ne kleine Hütte, das ist der Luxus, den die Lascher auf der Plattform haben. Das hat man beim Knackenziehen nicht.

Waren Sie schon mal in einem Laschkorb?

Jo, das bringt richtig Spaß. Man hängt 20 Meter hoch und macht sein Ding. Da sind wir angeseilt.

Was bringt denn noch Spaß?

Die kleinen Feederschiffe, die wie die großen geladen und gelöscht werden: Knacken auslegen, Knacken aufsammeln, da geht die Zeit gut vorbei. Und mit den Alten zusammenarbeiten, die zehn Jahre älter sind als ich. Bei denen geht es „knick“ und „knack“ und fertig. Die Schichten von 23 Uhr bis morgens sieben, das sind die besten.

Wenn Sie mal zurückblicken darauf, was sie alles so gemacht haben – da machen Sie jetzt doch wieder etwas ganz anderes.

Ich hab als Profi auf einfache Weise Geld verdient, damit ich Zeit hatte, Dinge zu machen, mit denen man kein Geld verdient, die aber wichtig sind fürs Leben. Nicaragua und diese Geschichten. Im Nachhinein würde ich sagen: Das fügt sich so. Auch das, was ich jetzt mache, fügt sich.