Kein Kommentar! : Einsam ist’s im OP
Die Neufassung des besonderen Kartellrechts für die Presse sei eine „Operation am offenen Herzen der Demokratie“ – wortmächtige Bilder schwurbeln am vergangenen Freitag durch den Deutschen Bundestag. Und endlich, endlich einmal treffen sie ins Schwarze
Denn von den 603 Abgeordneten sind gerade einmal so viele da, dass sie auch in jeder beliebigen „Emergency Room“-Folge in den OP gelassen würden. Die Regierungsbank ist gleich ganz steril (weil leer), auch das passt: Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) hätte die Gesetzesnovelle gerne noch viel liberaler gehabt, kam damit bei den Fraktionen aber nicht durch.
Auch jenseits des Bundestags läuft das Tauziehen um die künftigen Spielregeln im Zeitungsgeschäft plötzlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Bis zum vergangenen Herbst war das Thema noch Spaltenkilometer und Kommentare nicht nur auf den einschlägigen Medienseiten wert. Heute gibt es, wenn es hoch kommt, einen kurzen Bericht. Ist er auf einmal zu vertrackt und komplex, der Streit um die allseitigen Kooperationsmöglichkeiten von bis zu fünf Zeitungen in den Bereichen Vertrieb, Druck und Anzeigen – solange die Redaktionen unabhängig bleiben? Wie das in der Praxis funktionieren soll, diese von diversen Verlegern als unrealistisch angesehene Trennung von Verlags- und publizistischem Geschäft, ist völlig unklar. Ein Grund fürs lahmende Interesse: die allmählich in Dimensionen des Siebenjährigen Krieges ausufernde Berliner Zeitungsposse.
Interessiert sich denn seit dem Abgang von Tagesspiegel-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo (Foto) zur Zeit wirklich kein Schwein mehr für die Frage, was der Tagesspiegel-Verlag Holtzbrinck mit der Berliner Zeitung machen darf? Schließlich war dies einst Ausgangspunkt des ganzen Pressereformeifers. Doch halt, vielleicht gibt es Hoffnung: „Es ist der spektakulärste Zweikampf der deutschen Medienlandschaft“, schreibt aktuell das jungverspielte Branchenmagazin V.i.S.d.P. Wir lesen weiter und wenden uns mit Grausen ab: Gemeint ist der auch nicht mehr ganz taufrische – und vor allem völlig unspannende – Wettbewerb zwischen zwei Wirtschaftstiteln namens FTD und Handelsblatt. STEFFEN GRIMBERG