piwik no script img

Archiv-Artikel

Vom Schrottsammler zum neuen Multi-Milliardär

Die Stahlbranche buhlt um alte Stahl-Badewannen. In 2004 verdoppelte sich der Preis für Schrott, den die Stahlerzeuger als Rohstoff nutzen

RUHR dpa/taz ■ Im Sog des weltweiten Stahlbooms ist der Schrotthandel zum Milliarden-Geschäft geworden. Nach Branchenschätzungen werden jährlich etwa 46 Milliarden Euro mit dem von der Stahlindustrie begehrten Rohstoff umgesetzt. In Boomzeiten wird Schrott zunehmend knapp: Alte Autos, Edelstahlschrott oder auch ausrangierte Stahlbadewannen sind zur umkämpften Handelsware geworden.

Als Haupt-Abnehmer klagt die deutsche Stahlindustrie über den anhaltenden Höhenflug der Schrottpreise – und muss tief in die Tasche greifen: „Ab dem Jahr 2003 zogen die Preise steil nach oben“, sagt Tobias Aldenhoff von der Düsseldorfer Wirtschaftsvereinigung Stahl. Der Preis für eine Tonne Schrott habe sich in einem Jahr fast verdoppelt. Habe man im vergangenen Jahr 113 Euro veranschlagen müssen, ist die Tonne auf durchschnittlich 213 Euro geklettert – in Spitzenzeiten bis zu 272 Euro.

Noch begehrter ist der Edelstahlschrott, der zu Tonnenpreisen von etwa 1.255 Euro gehandelt wird. Für den Geschäftsführer des Weltmarktführers für Edelstahlschrott ELG, Norbert Späker, ein Grund zur Freude: „Wir haben nie Absatzprobleme“. Das Duisburger Unternehmen betreibt weltweit 38 Schrottplätze. Durch die hohen Preise stieg der ELG-Umsatz im vergangenen Jahr um 30 Prozent auf etwa zwei Milliarden Euro.

Die Stahlindustrie kann auf den teuren Schrott nicht verzichten. Herkömmliche Stahlwerke benötigen Schrott zur Abkühlung des Schmelzprozesses. Die so genannten Elektrostahlwerke werden sogar komplett mit Schrott betrieben. Nach Eisenerz ist das Altmaterial damit der zweitwichtigste Rohstoff der Branche, die sich weltweit vor Aufträgen kaum retten kann: „Jeden Monat benötigen die Stahlunternehmen in Deutschland eine Schrottmenge, die 200 Eiffeltürmen entspricht“, weiß Stahl-Verbandspräsident Dieter Ameling.

Der Schrott-Markt ist also nahezu leer gefegt: Statt vom Branchen-Boom zu profitieren, ging der Schrott-Umschlag im Duisburger Hafen – einer von Europas größten Schrott-Standorten – von 1,7 Millionen im Jahr 2003 auf nur noch 1,4 Millionen Tonnen zurück. Ein Grund: Von den jährlich drei Millionen abgemeldeten Autos in Deutschland landet nur die Hälfte auf einem Schrottplatz. Als Handelsware werden sie stattdessen nach Afrika oder Osteuropa verbracht. Für den Altautobesitzer hat der Schrott-Rush sein Gutes: Statt für die Entsorgung des Fahrzeugs zu zahlen, bieten Schrotthändler bis zu 70 Euro für Altkarossen.

Der hohe Schrottpreis hat eine Art Beschaffungskriminalität entstehen lassen: „Wir stellen fest, dass immer wieder versucht wird, Material zu stehlen“, sagt Rolf Willeke von der Bundesvereinigung Deutscher Stahlrecycling- und Entsorgungsunternehmen (BDSV). Es kursieren Geschichten über Brücken, die in Russland Schrotträubern zum Opfer gefallen sein sollen. Auch ein Fall aus Brandenburg sorgte für Schlagzeilen: Dort wurden 80 Güterwaggons gestohlen und auf einem Abstellgleis in einem Waldstück mit Schneidbrennern zu Schrott zerlegt. Die Beute hatte einen Marktwert von 160.000 Euro.