piwik no script img

Archiv-Artikel

Strafezahlen fürs Praktikum

Die Zweitwohnungssteuer trifft rechtschaffene PraktikantInnen, die wenig haben. Kochen die MieterInnen möblierter Zimmer nicht neben dem Bett, sondern in einer Küche, sind sie dran

Von ede
Lüneburger Richter: Das Kinderzimmer im Elternhaus ist keine Erstwohnung

bremen taz ■ Fast hätte der Brief des Bremer Finanzamtes Marie Kuntz* im Februar nicht mehr erreicht. Die Ingenieur-Studentin aus Darmstadt packte nach fünfmonatigem Bremen-Aufenthalt gerade die Koffer, um in die elterliche Wohnung an der Bergstraße zurück zu kehren. Fristgerecht hatte die 25-Jährige ihre von einem Bremer Flugzeugbauer mit 500 Euro monatlich geförderte Arbeit am Diplom beendet. Doch nun will der Finanzsenator Geld von ihr. „Acht Prozent Zweitwohnungssteuer auf die Kaltmiete“ soll sie nachträglich für das vorübergehend bewohnte möblierte Zimmer zahlen. Die Studentin fühlt sich ausgenommen und bestraft.

Marie Kuntz, die auch schon bei der Lufthansa in Frankfurt mehrere Monate Praktikum absolvierte, lebt zumeist von Bafög. Zur Bremer Forderung sagt sie: „Das hat man davon, wenn man sich ausbildet oder die Meldegesetze ernst nimmt.“ In Frankfurt nämlich musste sie keine Zweitwohnungssteuer zahlen. Auch in Lüneburg wäre die Studentin nach einem jüngsten Gerichtsurteil wohl glimpflicher davon gekommen. Das dortige Verwaltungsgericht nämlich untersagte der Stadt, eine Studentin aus Celle extra abzukassieren.

In ihrer Urteilsbegründung (Az. 5 A 118/04) hatten die Richter ausgeführt: „Wer eine Zweitwohnung hat, muss auch eine Erstwohnung haben.“ Dies sahen sie bei der 24-jährigen Universitätsstudentin, die in der Wohnung ihrer Mutter ein Zimmer fürs Wochenende und die Semesterferien hatte und in Lüneburg nur ein WG-Zimmer bewohnte, nicht gegeben: Bei dem früheren Kinderzimmer der jungen Frau handele es sich mitnichten um eine „Erstwohnung“ im Sinne des Gesetzes. Und: „Die Zweitwohnungssteuer ist eine Abgabe für jemanden, der besonders wirtschaftlich leistungsfähig ist und sich zwei Wohnungen halten kann.“ Das sei bei der Mehrzahl der Studierenden nicht der Fall, urteilten die Richter. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache ließen sie die Berufung zum Oberverwaltungsgericht zu.

Beim Bremer Finanzsenator rührt das niemanden. Dort sieht man sich auf der sicheren Seite – immer auch mit dem landbremischen Argument, dass der Erstwohnsitz im Sinne des Länderfinanzausgleichs pro Nase jährlich rund 3.000 Euro in die Landeskasse spüle. Die Zweitwohnungssteuer – eine Gemeindesteuer, die bald auf zehn Prozent der Kaltmiete angehoben werden soll – sei wie die Hundesteuer eine Aufwandssteuer. Da leiste sich jemand etwas, „einen Aufwand“, der extra koste und der Kommune schließlich auch Kosten verursache – und auch was bringt. Neben einem erheblichen Verwaltungsaufwand waren das im vergangenen Jahr 515.000 Euro. Allerdings, darauf weist man hin: „Bremen hat die Zweitwohnungssteuer nicht gewollt. Aber wir mussten nachziehen, als andere Gemeinden damit anfingen.“ Nach zahlreichen Großstädten wie Hannover, Berlin und Hamburg sind das inzwischen auch viele kleinere Städte – darunter im November zuletzt Augsburg.

Marie Kuntz findet das trotzdem unfair. „Wenn ich einen befristeten Job angenommen hätte, könnte ich die doppelte Haushaltsführung von der Steuer absetzen, sagt sie. Für ein befristetes Praktikum aber wolle der Fiskus Geld? „Ich hab doch nix.“ Bei 500 Euro Unterhalt und 220 Euro Warmmiete plus Kosten für die Monatskarte der Straßenbahn blieb wenig genug. Die Eltern haben ihr deswegen die Bahnheimfahrt zu Weihnachten geschenkt. Und auch sonst hat die junge Frau eher sparsam gewirtschaftet. In der Miniküche auf der Durchgangs-Etage eines Altbremer Hauses bereitete die Koch-Ungeübte sich manches günstige Tellergericht aus dem Penny-Kühlfach zu. Doch das macht die Finanzbehörde erst recht misstrauisch. „Eine Toilette, eine Dusche und eine Küche gehören zu dem Zimmer?“, fragt der gestrenge Behördenmann, der aus seiner länger zurückliegenden Studentenzeit nur Mensa und Tauchsieder kennt. „Dann ist es doch wirklich eine echte Wohnung.“ ede

*Name von der Red. geändert