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Nächste Revolution in Kasachstan?

Kirgisiens Nachbarstaaten sind mehr oder weniger autoritär geführt. Ein Machtwechsel à la Bischkek steht in den meisten nicht bevor

MOSKAU taz ■ „Wir sind stolz auf euren Sieg und wünschen euch neue Erfolge! Wir stehen auf eurer Seite“, heißt es in einer Botschaft der kasachischen Opposition an die Revolutionäre im benachbarten Kirgisien. Nach dem Sturz des kirgisischen Präsidenten Askar Akajew haben die Spekulationen darüber begonnen, in welcher Nachfolgerepublik der Sowjetunion der nächste Umsturz zu erwarten ist.

Wie zuvor in Georgien und in der Ukraine traf der Umsturz in Bischkek ein zwar korruptes und von den meisten Einwohner verhasstes, aber eben auch ein nur mäßig autoritäres Regime. Im Vergleich zu den anderen mittelasiatischen Staaten galt Kirgisien in den 90er-Jahren zunächst sogar als demokratischer Musterknabe. Das Akajew-Regime nahm in den letzten Jahren zunehmend autoritäre Züge an, aber es gab eine legale Opposition, und Demonstrationen gegen die Staatsmacht waren nicht grundsätzlich verboten.

Eine Wiederholung der angeblich vom Westen inszenierten Revolutionen anderswo in Mittelasien sei in der bisher erfolgreichen Form nicht zu erwarten, schrieb der regierungsnahe Moskauer TV-Kommentator Michail Leontjew. „In Usbekistan wird diese Nummer nicht funktionieren. Denn das dortige Regime wird niemanden um Erlaubnis fragen, ob es in eine Menge von Pogromhelden schießen darf.“

Von allen GUS-Präsidenten sitzen die Machthaber Usbekistans und Turkmenistans, Islam Karimow und Saparmurad Nijasow, offenbar noch am festesten im Sattel. Jede Kritik an den bestehenden Verhältnissen kann in den beiden Ländern hinter Gitter führen. Eine legale Opposition gibt es nicht, die untereinander rivalisierenden Gegner der beiden Machthaber, denen die Flucht nach Russland oder Europa gelang, müssen selbst im Ausland um ihr Leben fürchten.

Organisierte friedliche Massenproteste sind weder in Taschkent noch in Aschchabad auf absehbare Zeit zu erwarten. Fast ebenso autoritär regiert inzwischen der tadschikische Staatsschef Emomali Rachmonow, der nach einem jahrelangen mörderischen Bürgerkrieg zwischen Regierung und islamischen Fundamentalisten sein Land inzwischen wieder weitgehend unter Kontrolle hält.

Gegen einen gewaltsamen Umsturz sind aber auch diese Diktatoren nicht mehr immun. Karimows Autokolonne geriet bereits ins Zielfernrohr islamistischer Attentäter. Auch der operettenhafte Personenkult um Nijasow, der immer absurdere Formen annimmt, könnte früher oder später einen Aufstand der weitgehend verarmten Bevölkerung provozieren.

Wesentlich schwächer ist dagegen die Position des kasachischen Präsidenten Nursultan Nasarbajew und seines Familienclans. Die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen Ende 2005 werden den Startschuss für die nächste Revolution in der GUS bilden, spekulierte die Moskauer Zeitung Nesawissimaja Gaseta. Wie zuletzt in Kirgisien steht auch in Kasachstan eine Opposition zur Machtübernahme bereit, die der alten Elite entstammt und sich in den letzten Jahren mit dem herrschenden Clan überworfen hatte. Der ehemalige Parlamentschef Scharmachan Tujakbai ist bereits als gemeinsamer Präsidentschaftskandidat der Opposition nominiert. KARSTEN PACKEISER

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