Kritik der Woche
: Herr Lehmann ihm sein Bruder die Kneipe

„Herr Lehmann“ steht groß über dem Eingang und auf die Fassade haben sie das Motiv vom Kinoplakat gemalt: Die Silhouette von Herrn Lehmann und neben ihm der Hund. „Ist es nicht kränkend, wenn man als älterer Bruder den Ruhm des Jüngeren als Geschäftsgrundlage nutzt?“, denkt man und geht hinein.

Für einen Sonntagabend, neunzehn Uhr, ist es ziemlich gut besucht. Draußen sitzen die Leute unter einer gestreiften Markise und drinnen an hellen Holztischen, wo sie auf diese Fotos von unbekannten Stränden blicken, wie Ikea sie gerne verkauft und die Lampen kommen auch von dort. Es ist gewiss kein weltanschaulicher Makel, sich bei Ikea einzurichten, alle Welt tut das, aber wenn eine Kneipe „Herr Lehmann“ heißt, denkt man natürlich an die Markthalle, wo Sven Regeners Romanheld Herr Lehmann herumsitzt und die man sich ein bisschen urtümlicher vorstellt.

Die Speisekarte ist übersichtlich und erfreulich unprätentiös. „Es gibt kein ,an Butter und so‘, wird Frank Regener, später sagen, der der ältere Bruder von Sven Regener ist und der „Herr Lehmann“ am 1. April mit seinem Sohn eröffnet hat: Stattdessen also Brötchen mit Hackepeter und eingelegter Bratling und Schweinebraten – auch zum Frühstück, weil sich Herr Lehmann über einen solchen Braten um 11 Uhr in die Köchin verliebt – und ein großes Bitburger kostet 3,10 Euro.

Die Kellnerin ist freundlich und es scheint sie tatsächlich zu interessieren, dass das Hackepeter-Brötchen gut war. Am Nachbartisch sitzt ein Ehepaar mit seinem hartnäckig schweigenden Sohn und einen Tisch weiter sagt ein massiger Herr etwas Erheiterndes zu den drei Frauen um ihn herum. „Shalali“, singt eine unbekannte Pop-Gruppe, aber dann spielen sie „Element of Crime“, die Gruppe von Sven Regener und der singt: „Ich laufe wie ein Trottel durch die Gegend und du bist gar nicht da.“

Es ist in der Tat müßig, hier nach Ähnlichkeiten zu Herrn Lehmanns Kneipen zu suchen, denkt man und dann entdeckt man Frank Regener in einem „Herr Lehmann“-T-Shirt auf dem Sofa. Frank Regener ist voller Zorn auf das Bremer Bau- und Stadtamt, das dem Anbau für die geplanten Konzerte Steine in den Weg legt und den unschönen Szenarien von Polizeikontrollen und Geldstrafen, die man ihm offenbar vorgestellt hat. Aber der Zustrom der Petersberger erfreut ihn, schließlich will er eine Kneipe machen für dieses Viertel, in dem, vorsichtig gesagt, nicht viel los ist. „Eine einfache Kneipe“, sagt Frank Regener, „nichts Feng-Shui-Mäßiges.“ Und schließlich sagt er noch den befreienden Satz: „Es hätte auch als Frank’s Ecke eingeschlagen wie eine Bombe.“

Friederike Gräff

„Herr Lehmann“, Friedrich-Karl-Straße 11, Mo-Fr ab 18 Uhr, Sa ab 14 Uhr, So ab 11 Uhr. Do ab 19 Uhr Spieleabend. Mehr unter: www.herrlehmann-diekneipe.de