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DIE BUNDESREGIERUNG WIRD ZUM BREMSER BEI DER ENTWICKLUNGSHILFEArmutszeugnis statt Armutsbekämpfung

Bundesfinanzminister Hans Eichel hat gestern für eine Flugbenzinsteuer plädiert, um das Raketenabwehrsystem Meads zu finanzieren. „Im Rahmen der jetzigen Finanzplanung“ sei das sonst nicht zu bezahlen, sagte er. Anders lautende Zusagen seien „auf eigene Rechnung gemacht“ worden. Unterdessen betonte der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering, die Erhöhung der Entwicklungshilfe auf 0,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes sei unverzichtbar: „Das ist auch eine Frage der Verlässlichkeit für Deutschland.“

Achtung, falsch: Es war andersherum. Als „Frage der Verlässlichkeit“ stellte Müntefering die Raketenabwehr dar, trotz massiver Bedenken hinsichtlich der Kosten. Eine höhere Entwicklungshilfe hingegen steht unter Finanzierungsvorbehalt und wird durch Eichel von erfundenen, kaum durchsetzbaren Steuern abhängig gemacht. So setzt Rot-Grün politische Prioritäten in Deutschland.

Die beste Entwicklungspolitik ist Sicherheitspolitik, hieß es nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001. Gemeint war damit, dass Instabilität in armen Weltregionen ein Sicherheitsrisiko für reiche Weltregionen darstellt und dass Entwicklungshilfe daher auch politische Stabilität fördern sollte. Gemeint war nicht, dass Deutschland seine Rüstungsausgaben erhöhen soll, statt den Armen zu helfen. Die Bundesregierung ist inzwischen zum Bremser geworden, was effektive Armutsbekämpfung angeht. Sie sperrt sich gegen einen allgemeinen Schuldenerlass für die ärmsten Länder, und einer ihrer höchstrangigen Minister darf bestehende Zusagen zur Erhöhung der Entwicklungszusammenarbeit vom Tisch wischen.

In Großbritannien und Frankreich erkennen die Regierungen an, dass Armut und Dauerkrisen in Afrika ein globaler Skandal sind, gegen den gehandelt werden muss. In Deutschland gilt das als Nischenthema, etwas fürs Gewissen, aber ohne Relevanz für die Politik. Tony Blair streitet mit Verve für eine bessere Afrikapolitik und eine aktivere weltweite Armutsbekämpfung – Gerhard Schröder für Waffenlieferungen nach China. Die Bundesregierung denkt wohl, so käme man in den Sicherheitsrat. Überzeugend ist das nicht.

DOMINIC JOHNSON

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