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Archiv-Artikel

Kinder im Container

Von wegen großkoalitionäres Nebeneinander der Bildungssysteme: Im schleswig-holsteinischen Pansdorf schwebt eine Schule in der Luft, weil SPD und CDU sich nicht verständigen können

von Esther Geißlinger

Jörg Cygan fühlt sich manchmal wie im gallischen Dorf: Rundum stehen die Kohorten, die das dreigliedrige Schulsystem bewachen – dazwischen liegen die gelben Container der Integrierten Gesamtschule Pansdorf im Kreis Ostholstein. „Wir sind Mobbing-erprobt“, sagt Cygan, stellvertretender Leiter der Schule, über die CDU und SPD auch bei ihren gerade abgeschlossenen Koalitionsgesprächen diskutierten. Dort haben sich beide Seiten auf ein blumiges „Nebeneinander der Systeme“, des dreigliedrigen und der neuen Gemeinschaftsschule, geeinigt. In der ostholsteinischen Realität verlaufen die Fronten gegeneinander – und das seit Jahren.

Der Kreistag beschloss 2000, die Gesamtschule beim Land zu beantragen – eine Elterninitiative hatte sich jahrelang dafür eingesetzt. 2001 allerdings kam ein neuer Landrat ins Amt. Der CDU-Mann kämpfte bereits vor seiner Wahl gegen die Schule. Dennoch beschloss der Kreistag ein zweites Mal, die Schule einzurichten – allerdings nur in einem provisorischen Gebäude. Ein geplanter Neubau ließ auf sich warten, und das Klima zwischen Schule und Kreis verschlechterte sich ständig. Bei der Kommunalwahl 2003 erhielt die CDU die absolute Mehrheit und beantragte beim Land, es möge die Schule auflösen. Das Bildungsministerium weigerte sich – inzwischen liegt der Fall beim Oberverwaltungsgericht.

„Beide Seiten können nicht mehr sachlich miteinander reden“, bedauert Frank Cordua, Leiter des Fachdienstes Schule in der Kreisverwaltung. „Ohne die Gerichtsentscheidung geht es nicht.“ Wann die kommt, steht in den Sternen: „Vielleicht noch in diesem Jahr, aber dass es noch vor der Sommerpause passiert, ist unwahrscheinlich.“

Die CDU ist gegen die Schule, weil ein Neubau zu teuer wäre: Rund 33 Millionen Euro sind veranschlagt. Außerdem sei die Drittelparität, also die Verteilung von Gymnasiasten, Haupt- und Realschülern nicht eingehalten. „Und dass die CDU Gesamtschulen nicht befürwortet, ist bekannt“, sagt Cordua.

Bis zum Gerichtsurteil aber muss etwas geschehen, denn weitere Schüler stehen vor den Türen der Container. Deutlich mehr Bewerber als Plätze gebe es, berichtet Cygan. Für neue Jahrgänge wurden bisher neue Container aufgestellt, doch es wird eng und enger. Probleme gibt es unter anderem mit dem Sportunterricht. Zwar stehe im Nachbarort eine Halle leer, aber, glaubt Cygan: „Der CDU ist es wohl lieber, die bleibt leer, als dass wir sie nutzen.“

Unsicher sind vor allem die Eltern. Viele wissen nicht, ob ihre Kinder tatsächlich die Schule bis zum Abschluss besuchen können. Dies sei aber gewährleistet, sagt Frank Cordua: „Wer eingeschult wurde, darf auf jeden Fall bis zur zehnten Klasse bleiben. Unklar ist allerdings, wie es mit den letzten Klassen, aussieht.“

Die Kieler Koalitionäre bestätigten: Die bereits angemeldeten Schüler dürfen im August eingeschult werden. Ansonsten solle das Gerichtsurteil abgewartet werden.

Ob nun weitere Container gebaut oder ob die Kinder übergangsweise auf andere Schulen verteilt werden, ist noch unklar. „In diesem Jahr ist es ganz dramatisch“, sagt Cygan, der aber am Projekt festhalten will: „Uns geht es um pädagogische Konzepte, nicht um Gebäude.“ Der CDU ebenso: Ein Lokalpolitiker riet besorgten Eltern, ihr Kind in einer „soliden Schule“ anzumelden: „Dann brauchen Sie sich nicht länger über die Gesamtschule ärgern, die nur mit Hilfe übelster Tricks von Rot-Grün gegründet wurde und provisorisch auf Abruf betrieben wird.“