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Archiv-Artikel

„Pures Verlangen nach schnellem Geld“

Zügellose Profitgier gefährdet die Demokratie, sagt Christine Scheel. Warum sind die Grünen dann so schweigsam?

taz: Frau Scheel, Ihr Parteichef Bütikofer war an der Seite des Kapitalismuskritikers Müntefering eher schweigsam. Warum wollen sich die Grünen aus der Debatte raushalten?

Christine Scheel: Wir halten uns da überhaupt nicht raus. Auch wir wollen doch eine soziale Marktwirtschaft und überlegen uns, was eigentlich die Aufgaben des Staates sind. Genau diese Diskussion führen wir auch innerhalb der Partei – und da gibt es eine große Schnittmenge mit dem, was Franz Müntefering gesagt hat.

Eine große Schnittmenge … Was können Sie denn nicht unterschreiben?

Die Kritik Münteferings gilt einer totalen Ökonomisierung eines kurzatmigen Handelns. Damit hat er Recht. Doch Müntefering ist bekannt für knackige und klare Ansagen. Unter dieser Rubrik ist die Bezeichnung Heuschrecken für Manager zu verstehen. Er hat natürlich provoziert. Dadurch, dass er es so brachial formulierte, hat er diese Debatte ausgelöst. Und dieses Ergebnis finde ich gut.

Ist denn die Demokratie gefährdet, wie Herr Müntefering sagt?

Es gibt gewisse Profitmaximierungsstrategien, wie wir sie an der Börse erlebt haben. Das ist keine ökonomische Vernunft, sondern pures Verlangen nach schnellem Geld. Und das ist eine Philosophie, die staatliches Handeln negativ beeinflussen kann. Das gefährdet tatsächlich die Demokratie.

Was sollen Unternehmen anderes machen als Geld verdienen?

Das Interesse eines Unternehmens sollte natürlich sein, Geld zu verdienen. Aber es ist auch für seine Arbeitnehmer und den Standort verantwortlich.

Ist Münteferings Kapitalismuskritik vor allem Wahlkampf für die NRW-Wahl?

Ich glaube, seine Kritik kommt daher, dass sich gerade in den letzten Wochen die Fälle von Unternehmen gehäuft haben, die schwarze Zahlen schreiben und trotzdem Arbeitsplätze abbauen. Für diese Entwicklung hat die Bevölkerung kein Verständnis – dass sich Einzelne wie Ackermann einen Teufel um sie scheren. Die zeitliche Nähe von Münteferings Kritik zu den Wahlen in Nordrhein-Westfalen ist schon da. Aber es ist auch der Druck auf die Politik gewachsen, eine ethische Debatte zu führen.

Auf dem Jobgipfel wurde gerade erst die Senkung der Unternehmenssteuer beschlossen. Wie passt das zur Kapitalismuskritik?

Die Senkung der Unternehmensteuer ist richtig, sie muss bloß vernünftig finanziert werden. Wir müssen im internationalen Steuerwettbewerb gut aufgestellt sein – das ginge sonst auf Kosten unserer Arbeitsplätze.

Rufen Sie, wie die SPD-Vizechefin Ute Vogt, zum Boykott von Unternehmen auf?

Einen Boykott kann ich nicht unterstützen. Denn wenn man zum Boykott aufruft, schadet man den Menschen, die dort einen Arbeitsplatz haben. Deswegen wäre ich vorsichtiger.

Es scheint, als wolle die SPD wieder röter werden. Werden die Grünen auch wieder grüner?

Das haben wir nicht nötig. Wir waren schon immer ökologisch. Dabei bleibt es. Und besonders erfolgreich sind wir auch bei der Integration von Wirtschaft.

INTERVIEW: SASCHA TEGTMEIER