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Archiv-Artikel

Nettigkeiten zwischen Kumpeln und Genossen

RAG-Chef Werner Müller heizt mit dem Start des Genehmigungsverfahrens für ein neues Bergwerk in Hamm den NRW-Landtagswahlkampf an. Die SPD applaudiert, Grüne, FDP und Experten zweifeln an der Wirtschaftlichkeit des Projekts

DÜSSELDORF taz ■ Schlechtes Timing muss sich Werner Müller dieses Mal nicht vorwerfen lassen. Anders als vor wenigen Wochen, als der RAG-Chef seine Anteilseigner E.ON, RWE und ThyssenKrupp mit der Ankündigung des Börsengangs des Bergbaukonzerns unangenehm überraschte, hat Müller vorgestern mit dem Start des Genehmigungsverfahrens für ein neues Bergwerk in Hamm einen Treffer erzielt. Zumindest die Sozialdemokraten applaudierten fünf Wochen vor Beginn der Landtagswahl dem Versprechen Müllers, erstmals seit Jahrzehnten eine neue Zeche zu eröffnen und 2.500 Arbeitsplätze zu schaffen. 3 Millionen Tonnen Kokskohle sollen auf dem Feld „Donar“ bei Hamm jährlich gefördert werden. Der Preis für die Tonne Koks soll mit 190 Euro deutlich unter dem jetzigen Weltmarktpreis liegen.

„Müller hat recht“, erklärte Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) gestern auf einer Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung in Düsseldorf, die passenderweise auch der RAG-Chef besuchte. Die Rohstofflage gebe Anlass genug, über Versorgungssicherheit nachzudenken. Und weil man gerade eine „Renaissance der Kohle“ erlebe, dürfe man auch die Subventionen nicht völlig streichen. „Ich weiß nicht, wo Leute leben, die die Kohle für gestrig erklären“, so der Minister. Auch Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) begrüßte den Vorstoß der RAG. Allerdings bekräftigte ein Sprecher der Staatskanzlei, dass es kein Steuermittel für eine neue Zeche geben dürfe.

Steuermittel allerdings möchte RAG-Chef Müller neuerdings überhaupt nicht mehr haben. Hatte sich Müller noch vor wenigen Monaten einen Staatskredit zur Anschubfinanzierung der 800-Millionen-Euro-Investition gewünscht, so will er nun ohne öffentliche Hilfe auskommen. „Wir wollen das privat finanzieren“, versicherte gestern Udo Kath, Sprecher der RAG-Tochter Deutsche Steinkohle AG (DSK). Noch allerdings sind keine Investoren gefunden: „Da gibt es noch nichts Vernünftiges“, so Kath.

Wirtschaftsexperten sind bislang jedoch skeptisch: „Ich habe sehr große Zweifel, dass die RAG solche Investoren findet“, sagte Manuel Frondel, Energieexperte des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI). Und außerhalb der SPD zeigte sich auch die Politik bislang noch wenig begeistert von der Zechenidee. „Wenn eine Kokskohlenzeche tatsächlich wettbewerbsfähig wäre, hatte die RAG sie schon längst beantragt“, sagte Gerhard Papke, wirtschaftspolitischer Sprecher FDP im Landtag. Die Ankündigung sei nicht mehr als eine Wahlkampfhilfe für die Steinkohlefreunde innerhalb der SPD. Und auch die Grünen winken ab: Statt auf die Förderung von deutscher Kohle zu setzen, solle sich die RAG an internationalen Unternehmen beteiligen, sagte die grüne Bundestagsabgeordnete und Energiepolitikerin Michaele Hustedt. Ihr NRW-Kollege Reiner Priggen ließ jedoch bereits durchblicken, dass die Grünen im Wahlkampf keinen Konflikt mit RAG und SPD riskieren werden: „Man kann Leute nicht daran hindern, Unfug zu machen.“ KLAUS JANSEN