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Archiv-Artikel

Senioren spüren Lehman-Pleite

FINANZKRISE Vor allem Ältere haben durch die Pleite von Lehman Brothers ihr Erspartes verloren – so zeigt eine Studie. Meistens gibt es aber eine Chance auf Entschädigung

Auch Familien haben die Zertifikate für die Ausbildung ihrer Kinder gekauft

AUS DÜSSELDORF PASCAL BEUCKER

Knapp ein Jahr nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers machen Anlegerschützer den Geschädigten Hoffnungen, doch noch ihr verlorenes Geld zurückzubekommen.

Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertbesitz (DSW) erklärte am Dienstag, 80 Prozent der Besitzer wertloser Zertifikate hätten Chancen, wegen Beratungsfehlern Schadenersatz von ihrer Bank zu erstreiten. Die DSW hat 800 Einzelfälle analysiert– es ist damit die bisher größte Auswertung der Lehman-Pleite aus Anlegersicht.

Ergebnis: Lehman-Zertifikate fanden sich überwiegend in den Depots älterer Menschen. Das Durchschnittsalter der Betroffenen liegt bei 60 plus. Vielfach sind die Geschädigten auch 75 Jahre und älter. Allerdings hat es auch etliche Fälle gegeben, in denen Familien die Zertifikate für ihre minderjährigen Kinder erworben haben, etwa um deren Ausbildung zu finanzieren.

In 67 Prozent der von der DSW geprüften Fälle haben die Lehman-Geschädigten einen Betrag zwischen 10.000 und 49.000 Euro angelegt. „Es waren nicht die reichsten Kunden, die die Zertifikate empfohlen bekommen haben“, sagt Rechtsanwalt Sascha Borowski von der Kanzlei Meilicke Hoffmann & Partner Borowski. Seine Kanzlei hat die Studie mit erarbeitet. In Einzelfällen lag die Anlagesumme indes auch bei über 150.000 Euro.

Die mit Abstand größte Gruppe von Lehmann-Opfern stammt aus Nordrhein-Westfalen, viele leben auch in Hessen oder Bayern. Die Anlegerschützer stellen den Banken und deren Kundenberatern ein schlechtes Zeugnis aus: So sei einer großen Zahl von Anlegern versichert worden, die Zertifikate seien zu 100 Prozent sicher, „schlimmstenfalls“ erfolge keine Zinszahlung, sondern nur die Rückzahlung des eingesetzten Betrages. Um Druck zu machen, hätten Bankberater behauptet, dass nur noch eine geringe Menge des Produkts verfügbar oder das Zertifikat nur noch wenige Tage zu haben sei. In den Beratungsunterlagen sei „ausdrücklicher Kundenwunsch“ vermerkt worden, weil das angebotene Produkt nicht zur Risikobereitschaft der Anleger passte. Auf Nachfrage sei den Kunden dann erklärt worden, dies sei nur eine reine Formsache und nur für bankinterne Zwecke erheblich.

Die meisten der vom DSW geprüften Fälle gehen auf das Konto der Citibank, bei der 46 Prozent der Anleger ihrer Papiere gekauft haben. Immer wieder sei es vorgekommen, dass Kunden mit Bundesobligationen zur Citibank gekommen seien und nachher nur noch Zertifikate besessen hätten, erklärte Rechtsanwalt Borowski. Ein knappes Drittel der Geschädigten war Kunde bei der Dresdner/Commerzbank. 15 Prozent hätten ihre Papiere von Sparkassen erworben, dort insbesondere von der Frankfurter Sparkasse.

Die DSW geht von bis zu 50.000 geprellten Anlegern allein in der Bundesrepublik aus. Nach Schätzungen der Verbraucherzentrale Hamburg beläuft sich die Schadenssumme auf knapp 700 Millionen Euro. DSW-Geschäftsführer Carsten Heise wies dringend darauf hin, dass im US-Insolvenzverfahren inzwischen die Frist für die Geltendmachung von Ansprüchen bekannt ist: Anleger müssen demnach bis zum 2. November ihre Ansprüche melden.