: Die Schöne ist das Biest
KOMÖDIE In „Young Adult“ trauen sich Regisseur Jason Reitman und Drehbuchautor Diablo Cody, von einer durch und durch unsympathischen Protagonistin zu erzählen
VON WILFRIED HIPPEN
Erinnern Sie sich an die 16-jährige Titelheldin von „Juno“? Eine wunderbar reife, warmherzige und humorvolle Heldin, die man einfach gernhaben musste. Nun haben der Regisseur Jason Reitman und der Drehbuchautor Diablo Cody wieder zusammengearbeitet, und sie scheinen sich dabei die Aufgabe gestellt zu haben, eine Filmfigur zu schaffen, die das absolute Gegenteil von Juno ist.
Mavis Gary ist um die vierzig, unreif, kaltherzig und engstirnig. Sie wirkt von der ersten Szene an abstoßend, gerade weil sie eine sehr attraktive Frau ist. Der Film zeigt, wie viel Aufwand nötig ist, um diese nach außen hin makellose Oberfläche zu erschaffen. Im Amerikanischen gibt es dafür den treffenden Ausdruck „Dressed to Kill“, und genau dies tut Mavis, um sexuelle und profitable Eroberungen zu machen. Doch darunter sieht es hässlich aus. Ihr Wohnung ist so unaufgeräumt und dreckig, wie dies in einem amerikanischen Mainstream-Film gerade noch gezeigt werden darf, zudem ist sie Alkoholikerin und wohl in keiner einzigen Szene des Films nüchtern.
Auch beruflich ist sie nur scheinbar als Autorin von romantischen Romanen für junge Teenager („Young Adults“) erfolgreich. Sie hat nicht nur eine Schreibblockade, sondern ihre Serie wird auch noch wegen mangelnder Nachfrage eingestellt.
Ein alter Jugendfreund schickt ihr ein Foto von seiner frisch geborenen Tochter, und plötzlich kommt es ihr in den Sinn, dass sie mit ihm ein neues, besseres Leben beginnen sollte. Also fährt sie in das kleine Provinzstädtchen, aus dem sie stammt, um Buddy Slade davon zu überzeugen, Frau und Baby zu verlassen, um mit ihr glücklich zu werden. In Mercury, Minnesota war sie einst die schönste und erfolgreichste ihres Jahrgangs und wurde als einzige, die im großen Minneapolis Karriere machte, zur Legende. Eine Zeit lang kann sie sich auf diesem Ruhm ausruhen, doch bald wird sie von ihren alten Schulkameraden und Freundinnen nicht mehr willkommen geheißen, sondern nur noch geduldet, denn da ihr jede Einsicht in die eigene Natur und die ihrer Mitmenschen fehlt, wird jede Begegnung mit ihr zu einer peinlichen Entgleisung.
Solch eine Geschichte so zu erzählen, dass ein möglichst großes Publikum sie sehen will, obwohl dessen Erwartungen hier konsequent bis zur letzten Szene enttäuscht werden, ist eine große Herausforderung für Reitman und Cody.
Die Spannung und Komik des Films entsteht vor allen dadurch, dass Mavis sich selbst völlig anders sieht als die Menschen in Mercury. Diese beneiden sie nicht, sondern bemitleiden sie immer mehr. Ihr Jugendfreund Buddy ist glücklich mit seiner neuen Familie, und dies machen Cody und Reitman auch gleich von Anfang an deutlich, wenn sie ihn zum ersten Mal anruft und er gerade die abgepumpte Muttermilch seiner Frau umfüllt.
Eine Figur wirkt zudem als eine Art Wärmestrom gegen das durchgängig unmögliche Verhalten von Mavis. Matt Freehauf war schon auf der Highschool der ewige Verlierer, und Mavis erkennt ihn auch nur wieder, weil er kurz traurige Berühmtheit erlangte, weil er von schwulenfeindlichen Jugendlichen so zusammengeschlagen wurde, dass er nie wieder ganz gesund wurde. Er erkennt als Außenseiter, wie verloren, krank und einsam Mavis wirklich ist, und aus seiner Perspektive können auch wir sie anders sehen.
Charlize Theron ist hier ebenso furchtlos und uneitel wie in ihrer Rolle als die Serienmörderin in „Monster“. Dort konnte sie sich noch hinter der Maske verstecken, doch hier kann man genau sehen, wie sie ihre Schönheit als Waffe einsetzt, wie sie sie mühsam herstellen muss und wie diese dennoch, weil sie reine Oberfläche ist, immer mehr Risse bekommt.