: Revolutionärer Ortsvorsteher
Der 67-jährige Geschäftsmann Lin Zulian ist seit 1965 Mitglied in Chinas KP, diente in der Volksbefreiungsarmee und war Wirtschaftskader in einer Kreisstadt. Dass er jetzt bei der Gemeindewahl in seinem südchinesischen Fischerdorf mit 90 Prozent der Stimmen zum Bürgermeister gewählt wurde, klingt unspektakulär. Doch in Wirklichkeit ist Lin ein Revolutionär mit chinesischen Charakterzügen.
Denn die Abstimmung im Dorf Wukan war überhaupt erst angesetzt worden, nachdem die Bewohner nach Jahren des Konflikts um 1.700 Hektar enteignetes Land in offener Rebellion ihre korrupten Kader verjagt und die Kontrolle über ihr Dorf übernommen hatte. Der Konflikt eskalierte im Dezember, nachdem ein Dorfunterhändler in Polizeigewahrsam gestorben war.
Der seit 1995 wieder in Wukan lebende Lin war ein Führer der Dorfrebellen und erreichte in Verhandlungen mit der KP-Provinzführung, dass der letzte umstrittene Landverkauf ausgesetzt und die Polizeiblockade des Dorfes aufgehoben wurde. Auch konnte er durchsetzen, dass Wukan erstmals frei und transparent eine neue Führung wählen durfte. Im Januar wurde Lin zum Vorsitzenden des Wahlkomitees ernannt und von den KP-Mitgliedern des Dorfes zum Parteichef gewählt.
Dorfwahlen gibt es in China seit drei Jahrzehnten. Doch stehen die Ergebnisse oft vorher fest und die Gewählten, überwiegend KP-Mitglieder, haben kaum Entscheidungsbefugnisse. Sie sind vor allem ausführende Organe höherer Ebenen. Umso mehr Aufmerksamkeit erregten am Wochenende die Wahlen in Wukan, die als die bisher freiesten in China gelten. Zumindest stellen sie das an diesem Montag beginnende Plenum des Nationalen Volkskongresses, Chinas ernanntes Pseudoparlament, in den Schatten. Bürger von Kommunen mit Landkonflikten beobachteten die Wahl in Wukan ebenso wie der US-Konsul aus Guangzhou.
„Den Job des Parteichefs wie des Bürgermeisters zu schultern ist für mich eine große Verantwortung“, sagte Lin nach seiner Wahl. „Mein wichtigster Job wird sein, das Land wieder zurückzubekommen.“ SVEN HANSEN
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