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Auf der Zielgeraden

Eigentlich haben die Privatsender Grund zum Feiern – haben sie doch das Gebührensystem von ARD und ZDF stark unter Druck gesetzt. Doch pünktlich zur Jahresversammlung streiten sie sich lieber

Von STEFFEN GRIMBERG

Der medienpolitische Wettbewerb heißt öffentlich-rechtlich gegen privat, läuft seit 1984 und dauert voraussichtlich ewig. In diesen Tagen können sich endlich mal wieder die Privaten als Sieger fühlen: Die Medienpolitik von Rot bis Schwarz nimmt die Sorgen der werbefinanzierten Sender deutlich ernster als bisher. Die Gebührenerhöhung für ARD und ZDF ist geringer ausgefallen als geplant. Und die EU nimmt endlich die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks unter die Lupe.

Doch Stimmung will derzeit nicht so richtig aufkommen: Wenn sich ab heute der Privatsender-Verband VPRT in Hamburg zu seiner Jahresversammlung trifft, ist er in erster Linie mit sich selbst beschäftigt. Wie paradox: Da trommelt der VPRT über Jahre mit Hingabe bei der EU-Kommission für eine offizielle Überprüfung der von ARD und ZDF. Jetzt ist sie da, auf 80 Seiten haben Bund und Länder in der vergangenen Woche geantwortet. Kommentar des VPRT zum Schreiben „Staatliche Beihilfen E 3/2005“? – Fehlanzeige.

Denn in der Lobbyorganisation tobt ein Führungsstreit, der ihren amtierenden Präsidenten und ehemaligen ProSiebenSat.1-Vorstand Jürgen Doetz im Winter noch zu dramatischen Appellen hinriss: Die 160 Mitgliedsunternehmen sollten verdammt noch mal an den Verband denken und sich nicht im Kampf um Personen verzetteln. Doetz, der ehemalige Kirch-Mann, führt seit acht Jahren. Die Vizeposition besetzt traditionell die andere große Privatsenderfamilie RTL. Wenn Doetz mal ausscheidet, so das Understanding, rückt RTL auf. Die Kandidatin ist längst gesetzt. RTL-Informationsdirektorin Ingrid M. Haas ist schon heute VPRT-Vizepräsidentin für den Bereich Fernsehen.

Doch der von den großen TV-Häusern geplante Stabwechsel sorgt vor allem bei den kleineren Mitgliedsunternehmen.für Unruhe. Und Doetz, mittlerweile als Berater für ProSiebenSat.1 tätig, ließ durchblicken, dass er sich diversen Bitten, weiterzumachen, nicht entziehen könne.

Formal ist zumindest die Personalie offenbar geregelt. Die VPRT-Mitglieder werden über eine Änderung der Satzung zu befinden haben, die die Amtszeit des Präsidenten von zwei auf ein Jahr verkürzt und folgenden Deal ermöglicht: Doetz macht ein Jahr weiter, ab 2006 ist dann Ingrid Haas an der Reihe ist. Vorratswahlen nennt das deutsche Vereinsrecht so was.

Doch die Probleme des Verbandes liegen woanders. Zum einen sind beide großen TV-Häuser derzeit eher mit sich selbst beschäftigt: Bei RTL dauert der Führungsumbau an. Und ProSiebenSat.1 sei im VPRT nun auch nicht eben „sehr präsent“, so ein Insider. Wen wundert’s: Bei der AG verhandelt Springer um die Anteilsmehrheit.

„Der VPRT befindet sich in einer Anpassungsphase“, sagt Ingrid Haas diplomatisch. Jetzt müsse man sehen, wie man ihn justiere. „Internationaler“ müsse die Arbeit werden, so Haas.

Auf einer ganz anderen Baustelle drängen die Digitalsender in den VPRT – mancher spricht sogar vom Versuch der Digitalen, den Verband zu übernehmen. Und dann ist da noch ein generelles Problem: Der VPRT sei nicht mehr politisch und schlagkräftig genug, sagt ein Mitgliedsvertreter, sondern ein auf seitenlange juristische Stellungsnahmen spezialisierter Verein.

Gestern enthielt die VPRT-Website unter dem dem Datum „Montag, 9. Mai 2005“ folgende Spitzenmeldung: „Der VPRT hat seine Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung telekommunikationsrechtlicher Vorschriften vorgelegt“.

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