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Archiv-Artikel

Viel zu normal käuflich geworden

betr.: „Das Internationale proben. Neue kapitale Kritik (5)“ von Hannes Koch, taz vom 19. 5. 05

Das „Proben des Internationalen“ begann schon früh. Heute sitzen ein paar 68er als Führer in den Unternehmen und machen, was sie taten, als ich ihnen damals in den 78ern in Indien bei der Suche nach Sinn, Rauchwaren und Wunderpilzen begegnete: Sie nutzten die Unterschiede und versuchten, sie zu bewahren.

Global agierende Unternehmen machen nur, was der große Durchschnitt der deutschen Verbraucher schon lange trieb: Wir saßen beim Einkauf von Billigprodukten ganz oben bei der Umverteilung von unten. Wir merkten aber wenig davon, denn der Handel trennte uns von der Wahrnehmung der Arbeitsbedingungen in fernen Ländern, wie uns der Supermarkt vom Schlachthof trennt. Nun kommen die Arbeitsbedingungen als „Benchmark“ (das heißt als ein Maßstab) zu uns.

Mit der „Liberalisierung“ der Märkte verbreiten sich aber nun nicht nur Waren freier über den Globus, sondern auch die Modi ihrer Verteilung: Den nützlichen Unterschieden zwischen den Regionen und Gesellschaften wird jetzt erlaubt, zu ebenfalls ausbeutbaren Unterschieden innerhalb der Regionen und Gesellschaft zu werden. Wird dabei die Ungleichverteilung zwischen den Regionen etwas kleiner, dann schafft Globalisierung Gerechtigkeit durch eine gleichmäßigere Verteilung der Ungerechtigkeit.

Ungerecht ist auch die Verteilung der politischen Regierungsformen. Wir leben trotz allen Jammerns in einer Luxusdemokratie. Von ihr sieht sich die „Elite“ entmündigt, weil Demokratie die Schlaueren beim Entmündigen des schlichteren Durchschnitts behindert. Darum finden unsere demokratisch belästigten Wirtschaftsführer paternalistische Systeme wie in Malaysia, Singapur und China so faszinierend. Eliten sind Meta-Spieler, das heißt, sie spielen nicht im Rahmen der Spielregeln, sondern um die Spielregeln selbst. Die Globalisierung lässt eben nicht nur Waren, Geld und Arbeitsbedingungen freier über den Globus diffundieren, sondern wird generell verändern, wie die Menschen regieren und regiert werden.

GÖTZ KLUGE, Eching

Hannes Koch schreibt von der „neuen Globalisierung der 80er-Jahre“. Also muss es eine alte Globalisierung gegeben haben. Und wann war die, bitte? Und wer sind die „neuen linksliberalen Grünen“? Und wer waren demzufolge die alten linksliberalen Grünen? Ich weiß nur, dass die Grünen 1980 im Januar gegründet wurden und sich die „Alternativen“ nannten – und Petra Kelly Ende der 80er-Jahre davon sprach, dass man viel zu normal, käuflich geworden sei. Wie viel linksliberale Grüne sitzen im Bundestag?

Und wer vertritt Wirtschaftsinteressen in den Medien, wenn diese nahezu gleichgeschaltet sind und suggerieren, dass Unternehmenssteuern von den Unternehmen bezahlt werden, anstatt vom Verbraucher, weil sie in die Kalkulation mit einfließen und die Unternehmen sie nur an die Kommunen und an die Finanzämter abführen? Bis 1989 betrug die Körperschaftssteuer auf einbehaltene Gewinne noch 56 Prozent.

Die Senkung der Unternehmenssteuern hat nur einen Zweck: die Haushalte auszuplündern, damit nur geringe Sozialausgaben entstehen und die Herrschenden billige Arbeitskräfte bekommen. Um die Akzeptanz zu erhöhen, baut man einen Popanz auf; dazu dienen die seit 1989 offenen Grenzen. Natürlich gibt es Firmen, die nach China abwandern, und osteuropäische Billigarbeiter. Indem das Ganze aber medial hochgezogen wird, erscheint es bedrohend und die Menschen bekommen Angst und werden gefügig. Ebenso gab es schon immer Kapitalbeteiligungsgesellschaften und Steueroasen und Steuerflüchtlinge. WOLFGANG HÖRNER, Berlin