: Für das Regime eine „bösartige Viper“
Was sich die tunesische Journalistin und Menschenrechtlerin Sihem Bensedrine dieser Tage anhören muss, übertrifft alle bisher da gewesenen Diffamierungskampagnen. Die Herausgeberin der Internetzeitung www.kalimatunisie.com und Sprecherin des nationalen Rats für Freiheit in Tunesien (CNLT) wird von mehreren Blättern, die treu zum tunesischen Diktator Zine el Abedine Ben Ali stehen, als „bösartige Viper“ und „Kreatur des Teufels“ beschimpft. Die 55-jährige Mutter dreier Kinder sei „eine Prostituierte“, die sich „von Ausländern und Zionisten von hinten nehmen lässt“. Sie habe „allen humanen Werten abgeschworen, um – während Swingertreffen – ihrem feuchten Geschlecht zu frönen“.
„Das sind die Methoden eines Regimes, das sich den Staatsfeminismus auf die Fahne schreibt, aber nicht erträgt, dass Frauen als Bürgerinnen auftreten und noch weniger, dass sie politische Gegnerinnen sind“, erklärt Bensedrine, die zurzeit mit einem Stipendium in Hamburg lebt. Bereits 1993 war die streitbare Journalistin Opfer einer Schmutzkampagne geworden. Damals ließen die regierungsfreundlichen Blätter Tausende Exemplare einer pornografischen Fotomontage von ihr unters Volk bringen.
Auch mit Tunesiens Polizei und Justiz machte Bensedrine bereits Bekanntschaft. 2001 wurde sie nach einer Frankreichreise auf dem Flughafen in Tunis verhaftet. Der Vorwurf lautete „Diffamierung des Landes“. Bensedrine hatte über Menschenrechtsverletzungen und Korruption in ihrer Heimat gesprochen. Schließlich wurde sie zu zwei Monaten Haft verurteilt. Als sie weiter keine Ruhe gab, griff das Regime zu handfesteren Mitteln. Bensedrine wurde auf der Straße zusammengeschlagen. Für das Regime waren die Täter Rowdys, Bensedrine will „Beamte der politischen Polizei“ erkannt haben.
Bensedrine ist kein Ausnahmefall. Die vor einem Jahr gegründete unabhängige Journalistengewerkschaft SJT beklagt in ihrem ersten Jahresbericht eine systematische Einschränkung der Pressefreiheit mit den Mitteln der Einschüchterung, Diffamierung und Denunziation. Sie berichtet von Instruktionen an die Vorgesetzten der Journalisten, von durch die Behörden diktierten Artikeln sowie von individuellen Quälereien. Allerdings habe man bislang nie derart unanständige Worte benutzt wie die Schmähungen gegen Bensedrine, erklärt Lotfi Hajji, der SJT-Vorsitzende.
Auch nach der neuen Hasskampagne will die Bürgerrechtlerin Bensedrine nicht klein beigeben. Am Mittwoch flog sie in ihre Heimat. „Angst? Das ist mein Land!“, erklärte sie selbstbewusst kurz vor ihrer Abreise aus Hamburg. REINER WANDLER