INDIEN/PAKISTAN: SELBST HINDU-NATIONALISTEN WOLLEN ENTSPANNUNG : Opportunistische Friedenstaube
Es ist eine besondere Ironie der spannungsvollen Beziehungen zwischen Hindus und Muslimen auf dem indischen Subkontinent: Ausgerechnet der Hindu-Hardliner Advani, der 1992 zur Zerstörung der Babri-Moschee in Ayodhya aufrief, hat nach Kritik aus den eigenen Reihen seinen Rücktritt eingereicht. Advani hatte beim Besuch seiner heute zu Pakistan gehörenden Heimatstadt Karachi, die er 1947 nach der Teilung Britisch-Indiens verlassen musste, eine Rede des pakistanischen Staatsgründers Mohammed Ali Jinnah zitiert. Dabei hatte er den Muslimführer als Säkularisten bezeichnet. Jinnah forderte damals von Politikern, sich ganz auf das Wohlergehen der Bürger zu konzentrieren, unabhängig von deren Vergangenheit und Religion.
Das von Advani gewählte Zitat lässt sich auch als Kritik an den Regierungen in Indien und Pakistan verstehen, die mehrfach gegeneinander Krieg führten und das Wohlergehen der Bevölkerung, um es zurückhaltend zu formulieren, sträflich vernachlässigten. Jinnah sprach damals so weise Worte, wie Advanis heutige Aufforderung zur weiteren Entspannung richtig ist. Natürlich war weder Jinnah so säkular wie von Advani dargestellt, noch ist dieser selbst angesichts seiner eigenen Vergangenheit eine glaubwürdige Friedenstaube. Vielmehr ähneln sich Jinnah und Advani in ihrem Opportunismus.
Advanis Schwenk beruht auf der Einsicht, dass er nur mit einer Abkehr vom streng hindunationalistischen Kurs und einem Schwenk zur politischen Mitte noch Premier werden kann. Denn die von seiner früheren eigenen Regierung eingeleitete Entspannungspolitik gegenüber Pakistan wurde nicht nur von der Nachfolgeregierung unter Führung der Kongress-Partei weiter ausgebaut, sondern basiert jetzt auch auf einem gesellschaftlichen Konsens, den nur noch die Hindu-Hardliner ablehnen. Die meisten Menschen in Indien und Pakistan wollen inzwischen Jinnahs Worte vom Wohlstand verwirklicht sehen. Sie sind bereit dazu, enger zusammenzuarbeiten und alte Feindschaften hinter sich zu lassen. Daran ändert auch Advanis Opportunismus nichts. SVEN HANSEN