: Luftbilder und der Zufall
Bombenfunde legen norddeutsche Städte lahm: Nach Vorfällen in Hamburg und Bremen musste nun Braunschweigs Innenstadt evakuiert werden. Wobei die Bombe dort im Gegensatz zu der in Bremen kein Zufallsfund war
Rot-weißes Absperrband, Polizei im Großeinsatz, nichts geht mehr: In der Hamburger Innenstadt war es zuletzt Anfang Mai so weit. In einem Radius von 300 Metern evakuierte die Polizei alle Wohnungen um jene Baustelle in Altona, auf der bei Bagger-Arbeiten eine Fliegerbombe aus dem zweiten Weltkrieg gefunden worden war. Der Fachmann vom Kampfmittelräumdienst, der die Bombe entschärfte, wurde anderntags in der Presse gefeiert – genau wie in Bremen, wo vergangene Woche eine 20-Zentner-Bombe das Stephani-Viertel von zehn Uhr morgens bis nach Mitternacht lahmlegte. „Die Bombe war ein Zufallsfund“ sagt ein Sprecher der Bremer Polizei.
Das jüngste Beispiel im Norden aber beschäftigt die Braunschweiger. Dort wurde im Schlosspark am Dienstag ein fünf Zentner schwerer Sprengkörper gefunden, woraufhin in der Nacht zu Mittwoch rund 5.000 Menschen ihre Wohnungen räumen mussten. Rund 3.100 von ihnen nahmen das Angebot an, die Nacht in der Volkswagen-Halle zu verbringen, versorgt von HelferInnen des Roten Kreuzes.
Wie viele solcher Blindgänger heute noch existieren, lässt sich nicht sagen. Man könne lediglich beziffern, dass 10 bis 15 Prozent der im zweiten Weltkrieg abgeworfenen Bomben Blindgänger gewesen seien, so Joachim Noparlik vom niedersächsischen Kampfmittelbeseitigungsdienst. „Jährlich“, sagt Noparlik, „entschärfen wir in Niedersachsen zwischen 150 und 180 Blindgänger.“
Wobei die in 95 Prozent der Fälle nicht zufällig, sondern per Luftbildauswertung gefunden werden – hier helfen jene Luftbilder, die die Alliierten nach den Angriffen gemacht haben, um das Ausmaß des Schadens festzuhalten und neue Angriffsgebiete zu erkunden. Auch die Bombe in Braunschweig war kein Zufallsfund: „Der Blindgänger ist gezielt aufgegraben worden“, sagt Noparlik.
Nach wie vor sind die Kampfmittelbeseitigungsdienste in staatlicher Hand, und nach wie vor sind sie Ländersache. In Niedersachsen und Bremen gehören die Abteilungen zur Polizei, in Hamburg hatte man darüber nachgedacht, die Bomben-Entschärfung aus Kostengründen in private Hände zu geben, ließ die Zuständigkeit dann aber doch bei der Feuerwehr.
Schleswig-Holstein hat die Kampfmittelbeseitiger beim Katastrophenschutz angesiedelt und schickt rund 30 Prozent der Abteilung regelmäßig unter Wasser, um beispielweise die Kieler Förde von Mienen zu reinigen. „Wir hatten in Schleswig-Holstein im zweiten Weltkrieg keine Erstkampfhandlungen“, sagt der dortige Leiter der Abteilung. Pro Jahr werden in Schleswig-Holstein rund 40 Tonnen Alt-Kampfmittel entsorgt – wohingegen man in Niedersachsen vor allem aufgrund der großflächigen ehemaligen Munitionsdepots jährlich zwischen 350 und 420 Tonnen findet. kli