Heuschrecken-Dompteure bei der SPD

Die SPD räsoniert, wie sie Kapitalinvestoren bremsen könnte. Linke sehen in der Konferenz „Soziale Marktwirtschaft“ einen Beginn der Programmdebatte für September. Bundeskanzler Gerhard Schröder redet über die Regulierung von Hedgefonds

VON HANNES KOCH

Die SPD unternimmt einen späten Versuch, den Gestaltungsanspruch der Politik gegenüber der Wirtschaft zu erneuern. Bei der Konferenz „Soziale Marktwirtschaft“ am kommenden Montag wird ein Konzept vorgestellt, um risikoreiche Hedgefonds stärker als bisher zu regulieren. Ein wesentlicher Vorschlag lautet, Finanzinvestoren zu größerer Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit zu verpflichten.

Die Konferenz in der Berliner SPD-Zentrale ist hochkarätig besetzt. Neben Bundeskanzler Gerhard Schröder nehmen Finanzminister Hans Eichel, Wirtschaftsminister Wolfgang Clement und Gewerkschaftschef Michael Sommer teil. Anberaumt hatte man die Veranstaltung, nachdem SPD-Chef Franz Müntefering mit seiner Kritik an internationalen Finanzinvestoren („Heuschrecken“) versucht hatte, das Blatt der Wahl in Nordrhein-Westfalen am 22. Mai zu wenden. Namentlich SPD-Linke forderten daraufhin, es nicht bei Phrasen zu belassen und praktische Konsequenzen zu ziehen. Finanz-, Justiz und Wirtschaftsministerium wurden beauftragt, das nun vorliegende Konzept zu erarbeiten.

Als ob sie zur öffentlichen Vorbereitung der Konferenz dienen und die massenpsychologische Wirkung des Themas unterstreichen solle, erschien soeben die Liste der 100 bestverdienenden Börsenmanager des Jahres 2004. Die Spitze hält der Chef des Hedgefonds SAC Capital Advisors, Stevie Cohen. Er bekam im vergangenen Jahr ein Gehalt von 600 bis 650 Millionen Dollar. Das entspricht in etwa dem Bruttoinlandsprodukt des westafrikanischen Staates Gambia.

Dass die Investoren in Hedgefonds eine kapitalkräftige, einflussreiche und mitunter auch gefährliche Sorte unter Kapitalgebern darstellen, unterstreichen die Ministerien in ihrem Konzept. Aktueller Fall in Deutschland: Der Fonds TCI hat die Deutsche Börse AG gezwungen, ihren Gewinn auszuschütten und ihren Vorstand zu entlassen. Ist so etwas gesund, sollen die das auch weiterhin dürfen?

Im Prinzip sei dagegen nichts einzuwenden, meint das Finanzministerium. Aber an einzelnen Stellen müsse man etwas nachjustieren. Aktionäre und Öffentlichkeit hätten ein Recht darauf, rechtzeitig zu erfahren, in welches Unternehmen ein Hedgefonds sich einkauft. „Sinnvoll ist eine Verbesserung der Transparenz“, heißt es in dem Papier. Angeregt wird, die Informationspflicht für Fonds-Beteiligungen an Unternehmen unter die heutige Grenze von fünf Prozent des Aktienkapitals zu senken. Außerdem stellt der Bericht in Aussicht, die Ermittlungsmöglichkeiten der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zu verbessern, um fragwürdige Praktiken der Fonds aufzudecken.

Einen Vorschlag machen die Ministerien auch zu den von Hedgefonds oft getätigten „Leerkäufen“. Dabei leiht sich der Fonds Aktien, drückt durch ihren Verkauf den Marktpreis und realisiert durch den billigeren Rückkauf einen Gewinn. Weil dieses Vorgehen wegen der großen Aktienmengen gefährlich sein kann für die Stabilität des gesamten Finanzmarktes, wird an dieser Stelle über eine Meldepflicht nachgedacht.

Welchen politischen Stellenwert diese und andere Überlegungen künftig haben können, ist gegenwärtig weitgehend ungeklärt. Schröders Entscheidung, den Bundestag am 18. September neu wählen zu lassen, hat den alten Fahrplan über den Haufen geschmissen. Ursprünglich sollten Inhalte in die langfristige Programmierung zum Bundestagswahlkampf 2006 einfließen. Ob sich kapitalkritische Forderungen wie die Tobinsteuer auf Finanztransaktionen, internationale Steuern auf den Energieverbrauch oder Mindestlöhne in Dienstleistungsbranchen im Programm 2005 wiederfinden werden, weiß niemand. Linke wie Andrea Nahles sehen in dem Kongress zwar einen „Aufschlag für die kommenden Wochen“, wollen ihre Forderungen an ein Wahlprogramm aber nicht präzisieren.

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