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Archiv-Artikel

Grüne kochen einen Wackelpudding

Die Programmkommission der Partei geht in Berlin in Klausur. „Modern links“ wollen sich die Grünen im Wahlkampf präsentieren. Doch die Führung fürchtet, dass die Basis den radikalen Versuchungen der Oppositionsrolle nachgeben könnte

AUS BERLIN LUKAS WALLRAFF

Über Wahlprogramme spottet man gern: Die haben doch mehr Autoren als Leser. Die Grünen haben aber auch gelernt, dass ein falscher Satz furchtbare Folgen hat. Ihr Trauma ist ihr Vorschlag, den Liter Benzin auf fünf Mark zu verteuern. Solche Fehler sollen nie mehr passieren. Wie auch?

Fundis sind bei den Grünen kaum noch vertreten. Jedenfalls nicht in der 28-köpfigen Programmkommission, die sich gestern zur Klausur zurückzog. Was früher Flügel waren, nennt Chefin Claudia Roth inzwischen „verschiedene Gedankenschulen“. Klingt weit weniger gefährlich.

Aber man weiß ja nie. Schon der Arbeitstitel des Programms mahnt zur Entradikalisierung. Herauskommen soll „eines für alle“. Ein langjähriger Beobachter der Berliner Politik lästerte in Anbetracht des plakativen Titels schon: „So hat’s bei der FDP auch angefangen.“ Damals, als Guido Westerwelle von einer liberalen Volkspartei träumte.

So soll man die Grünen natürlich nicht verstehen. Es gehe vielmehr darum zu zeigen, dass die Grünen „keine Klientelpolitik“ machen, sagte Roth der taz. Ihre Forderungen seien „nicht Luxus, nicht Nische und vor allem nicht überflüssig“. Das klingt bescheiden und erinnert die Grünen an ihre Oppositions-Aussichten.

Aus Sicht der Führung liegt in der dahinschwindenden Regierungsmacht vor allem eine Gefahr. „Die Versuchung ist groß“, sagt einer der am Programm Beteiligten. Die Versuchung, auf die neue Konkurrenz der Linkspartei mit eigenen, knalligen, linken Vorschlägen zu reagieren.

Eher basisorientierte Parteifreunde wie Christian Ströbele wünschen sich ein Zwanzig-Milliarden-Investitionsprogramm. Andere wie Markus Kurth wollen Steuersenkungen zurücknehmen (siehe unten). Das alles steht bisher nicht im Programm – und kommt wohl nur hinein, wenn sich dafür Mitte Juli auf dem Parteitag eine Mehrheit findet.

„Achtzig Prozent der Grünen-Wähler können sich nicht vorstellen, die Linkspartei zu wählen“, hält einer der Programmmacher den Linken warnend entgegen. Und überhaupt: Die rot-grünen Sozialreformen seien „ohne Alternative“, weiß Roth und freut sich, dass dieser Feststellung gestern die Vertreter aller Gedankenschulen zugestimmt hätten. So beschränkt sich die Grünen-Spitze vorerst auf die Formel, man wolle „eine moderne linke Partei“ sein. Den frecheren Linken bietet sie an, „Korrekturen“ bei Hartz IV und eine „armutsfeste Grundsicherung“ ins Programm zu nehmen. Wie hoch die ausfallen soll? Noch eines von vielen Fragezeichen.