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Archiv-Artikel

Und die Kirche kocht

Am Anfang stand ein Wahlversprechen: Spaniens Homosexuelle dürfen heiraten, mit allem Drum und Dran

Drinnen Tränen, draußen wütende Protestrufe. Die Homoehe lässt das moderne und das traditionelle Spanien aufeinanderprallen. Glücklich sanken sich die Vertreter der Schwulen- und Lesbenbewegung auf den Zuschauerrängen des spanischen Parlaments in die Arme, als die Volksvertreter mit 187 zu 147 Stimmen bei vier Enthaltungen die Homoehe befürwortete. Nur die Abgeordneten der konservative Volkspartei (PP) und der kleinen katalanischen Uniò hatten dagegen gestimmt.

Spanien ist damit nach Holland das zweite europäische Land, das die Homoehe zulässt. Denn anders als beim Schweizer oder beim deutschen Partnerschaftsgesetzt wird der Bund fürs Leben zwischen zwei Männern oder zwei Frauen der Ehe zwischen Mann und Frau rechtlich völlig gleichgestellt. „Das Gesetz macht Spanien zu einem dezenteren Land“, erklärte Regierungschef José Luis Zapatero vor der Abstimmung.

Die Gegner der gleichgeschlechtlichen Ehe sehen das anders. Für sie betreiben die Sozialisten mit der Gleichsetzung zwischen hetero- und homosexuellen Lebensgemeinschaften einen Frontalangriff auf die Familie und damit auf die christlichen Werte an sich. „Ehe = Mann + Frau“ stand auf Schildern in den spanischen Nationalfarben zu lesen, die mehrere tausend Demonstranten unweit des Parlaments mit sich führten.

„Als Spanier bin ich beschämt“, wettert Bischof Juan Antonio Reig. Für den Oberseelsorger aus Castellón, der der Familienkommission der spanischen Bischofskonferenz vorsteht, ist die Homoehe „ein Rückschritt in der Zivilisation“ und „ein Attentat auf die heilige Institution der Familie“. Spaniens Katholiken „haben einst das Licht der Evangelisierung in die Neue Welt getragen. Jetzt schickt Spanien die Dunkelheit“, erklärt Reig. Da fühlt sich manch einer an die Zeiten Francos erinnert, als Spanien offiziell „die geistliche Reserve des Okzidents“ war.

Die Bischöfe finden für ihre Auseinandersetzung mit der Regierung Zapatero viele Anhänger. Das Spanische Familienforum (FEF) hat mittlerweile 1,1 Millionen Unterschriften gesammelt, um eine Volksabstimmung über die Homoehe zu fordern. Mehrere Hunderttausend (166.000 nach Angaben der Regierung, eine Million sagen die Veranstalter) folgten vor zwei Wochen einem Aufruf zum Schutz der Familie. Ein Großteil der katholischen Würdenträger reihte sich in die Demonstration ein. Auch die konservative PP charterte überall im Land Busse nach Madrid. Ihre Parteispitze allerdings blieb der Demonstration fern. Hatten doch die Schwulen und Lesben innerhalb der Partei mit Austritt gedroht, falls sich Parteichef Mariano Rajoy in den Marsch einreihen sollte. Der Sprecher der konservativen Homosexuellen kündigte nach der Verabschiedung der Homoehe an, selbst so schnell wie möglich seinen Lebenspartner zu heiraten.

Zapatero stört die breite Protestbewegung nicht. Denn knapp zwei Drittel der Spanier sind für das neue Gesetz. Bereits als Oppositionsführer hatte sich der junge Sozialist auf dem Titelblatt der Schwulenzeitschrift Zero ablichten lassen. Und versprach die Einführung der Homoehe, falls er an die Macht kommen sollte. Keiner glaubte an einen solchen Wahlsieg, bis die Bomben auf die Pendlerzüge am 11. März 2004 alles änderten. Die Konservativen versagten beim Krisenmanagement und schoben die Schuld aus wahltaktischen Gründen all zu lange den baskischen Separatisten von ETA zu. Und siehe da, Zapatero kam nicht nur an die Regierung, er hielt auch Wort.

Diese Woche durfte er dafür einmal mehr auf die erste Seite von Zero und bekam sogar Platz für einen eigenen Artikel. „Spanien macht einen entscheidenden Schritt, um sich als weltweit als Symbol für Frieden, Rechte und Toleranz zu konsolidieren“, hebt der Regierungschef sich und seine Politik selbst auf ein Podest.

Noch diesem Sommer können also die ersten Homosexuellen verheiraten. Vorausgesetzt, dass sie nicht in einer Gemeinde leben, in der der Bürgermeister aus Gewissensgründen eine solche Zeremonie untersagt. Diesen Schritt haben bereits einige Gemeindevorsteher angekündigt –auch von Zapateros Sozialisten sollen einige darunter sein.

REINER WANDLER