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Archiv-Artikel

Hundertwasserhaus auf Ratenzahlung

Der Aktionskünstler H.A. Schult ist zurück im Ruhrgebiet: „Ich bin eben eins mit der Region“. Er will in Bergkamen mit bunten Holztafeln einen Schandfleck der Stadt verschönern. Seit Jahren ist das Hochhaus mitten in der City unbewohnbar. Wegen H.A. Schult sollen jetzt Touristen strömen

AUS BERGKAMENPETER ORTMANN

Es regnet in Strömen. Die kleine Bergkamener City wirkt grau. Aus ihr ragt ein mächtiger Beton-Wohnturm. Der Schandfleck der Stadt, seit Jahren unbewohnbar. Er soll jetzt das Glück nach Bergkamen bringen. Angeworben wurde dafür der weltweit bekannte Aktionskünstler H.A. Schult. Der will jetzt mit einer schrill-bunten Fassadenverkleidung „den Bürgern einen schönen Blick auf eine ausgedörrte Ruine“ verschaffen und mit seinem Namen Tausende von Touristen in die City locken.

„Das sind gut angelegte Steuergelder“. Roland Schäfer ist hin und weg. Der sozialdemokratische Bürgermeister steht auf dem nassen Rathausvorplatz und beobachtet den Tausendsassa unter den deutschen Künstlerstars. Unterm Regenschirm steuert H.A. Schult gerade per Handy den 80-Meter Kran, mit dem seine ersten zehn Sperrholztafeln an die obere Fassade gehieft werden sollen. Es leuchten bunte Schrebergartenhäuschen. Sie sollen eine Hommage an die heile Welt in Bergkamen sein. „Hier sind die Schrebergärten adrett, die Garagentore schön angemalt und sie haben hier einen richtigen Putzi-Bahnhof“, lacht Schult und strahlt. Der Künstler sonnt sich in der kameraklickenden Öffentlichkeit. Reden kann er wie ein Wasserfall, das passt zur nassen Umgebung.

Vor eineinhalb Jahren sei er angerufen worden, sei erst ziemlich irritiert gewesen. Doch dann habe er sich an Bergkamen erinnert. Schließlich habe er hier in den 1970er Jahren schon einmal gearbeitet. „Ich bin eben eins mit der Ruhrregion“ und deshalb habe er zugesagt. „Meine Bilder gehören jetzt in den Alltag der Menschen“, sagt der Mann, der in den letzten Jahren fast ausschließlich mit Müll gearbeitet hat. Schult verteilt Fotos, wie die Immobilie einmal aussehen soll, auf jede Fassade passen 70 Tafeln. Die ganze Aktion werde sicher mehrere Jahre dauern, sagt er.

Der Wohnturm gehört heute einem Kölner Investor, der sich in der ehemaligen DDR nach der Wende völlig verspekuliert hat. Wahlkölner Schult hat ihn sofort kontaktiert. „Der war mit seinen Nerven völlig am Ende“, erzählt er, habe genauso ausgesehen wie das abgewrackte Hochhaus. Als er ihm erklärt habe, wie hilfreich eine Kunstaktion von H.A. Schult für die zukünftige Entwicklung der Immobilie sein könnte, „da flackerte sein Blick noch einmal auf“. Der Überredungskünstler hatte seine Genehmigung, der Investor eine neue Chance und Bergkamen die medienwirksame Attraktion.

Bei den notwendigen Sponsoren in der Stadt hatte Schult nicht so viel Erfolg. Viele hätten ihm die kalte Schulter gezeigt. Eine neue Erfahrung für den Macher. „Das Geld sitzt nicht mehr so locker für Kunst mit Dimensionen, wie ich sie in Troisdorf oder Berlin gemacht habe“, sagt er. Deshalb seinen bisher auch erst zehn Tafeln („Für mich eine Fingerübung“) finanziert. Kostenpunkt 20.000 Euro. „Bergkamen kostet das nichts“, Bürgermeister Schäfer will kritische Stimmen aus der Bevölkerung verhindern. Ein Viertel der Summe stamme noch aus dem ehemaligen Kulturministerium. Aus dem „Ab in die Mitte“-Topf, den Bergkamen bereits viermal gewonnen habe. Den teilten sich Sponsoren, die aber nicht genannt werden wollten, so Schäfer.

Zukünftig sollen Privatleute die Tafeln sponsern. 3.000 Euro kostet die Schrebergartenidylle auf Sperrholz. Wenn fünf zusammen sind, kommt der Kran. „Das ist viel H.A. Schult fürs Geld“, sagt der Künstler, seine anderen Werke seien leider ziemlich teuer geworden. Man müsse auf sein Kunstwerk aber mehrere Jahre warten, bis die Zukunft des Gebäudes gesichert sei, so Schult. Am liebsten sei ihm ein Altenpflegeheim mit Swimmingpools. Das würde auch Franz Josef Jouv (74) freuen. Als „alte Bergkamener“ hatten er und seine Frau Annemarie an der Kunstaktion nichts auszusetzen: „Uns gefällt das.“