: Tofu mit einem Hauch von Schwermetall
Direkt neben einem Sondermüll-Lager verkauft ein Großhandelsmarkt asiatische Lebensmittel. Ein Skandal, findet die Umweltexpertin der Grünen, Claudia Hämmerling: Kunden, Restaurantbesucher und Betreiber würden so gefährdet
Die Umweltexpertin der Grünen im Abgeordnetenhaus, Claudia Hämmerling, fordert die Senatsverwaltung für Umweltschutz auf, einen Asiamarkt in der Herzbergstraße im Bezirk Lichtenberg sofort zu schließen. Der Grund: Der rund 13.000 Quadratmeter große Markt auf dem stark verunreinigten Gelände des ehemaligen VEB Elektrokohle Berlin befindet sich nur wenige Meter neben einem Sondermülllager. „In dem Markt werden frischer Tofu, Reis, Sojasprossen und Blattsalat im Großhandel verkauft. Wenige Meter neben den offenen Gewerbehallen lagern nach Senatsangaben 6.000 Kubikmeter kontaminierter Bodenaushub, der als Sondermüll entsorgt werden muss“, sagt Hämmerling.
Laut der grünen Abgeordneten besteht akute Gefahr, dass die Umweltgifte auf die Lebensmittel übergehen. So würden Kunden, Gäste von zahlreichen Asia-Restaurants und -Imbissen sowie die in Umweltfragen kaum informierten asiatischen Händler gesundheitlich geschädigt. Während der Sommerferien seien auch die Kinder der Händler bedroht: Sie werden von ihren Eltern oft mit zur Arbeit genommen und spielen auf dem verseuchten Freigelände.
Ursprünglich prüfte Hämmerling, gegen die Umweltbehörde Strafanzeige zu stellen. Dies sei aber laut Umweltbundesamt nicht möglich, da für diese Art der Verschmutzung keine Grenzwerte festgelegt seien.
Der Senat hatte der Abgeordneten im April zugesagt, dass noch im selben Monat mit der Entsorgung des vergifteten Bodens begonnen würde. Laut Hämmerling ist aber bei der Sonderabfallbehörde bisher kein Abfall angekommen. „Ich habe mich mit eigenen Augen davon überzeugt, dass riesige Erdhaufen neben der Halle lagern.“ Bei Wind weht der vergiftete Boden in die Verkaufsräume, Kunden tragen sie an ihren Schuhsohlen mit. Auch die Verkaufshalle selbst und die sie umgebenden Wege befinden sich auf unsaniertem Grund. Die dort im Großhandel angebotenen Lebensmittel landen auf den Tellern vietnamesischer, chinesischer und indischer Restaurants und Imbissstände. Außerdem befindet sich auf dem Gelände ein Großlager für Reis.
Elektrokohle war einst einer der größten Umweltverschmutzer Ostberlins. Bewohner der umliegenden Häuser fanden regelmäßig schwarze Staubschichten auf ihren Balkonen und Autos vor. Auf dem Grundstück wurden im Boden zuletzt 1999 extrem hohe Konzentrationen von Schwermetallen, Phenolen und polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen gemessen. Luftmessungen hingegen haben nie stattgefunden. 2001 sanierte der Senat lediglich die Flächen der ehemaligen Galvanik und des ehemaligen Phenolbeckens und gab das Gesamtgrundstück anschließend zur Bebauung frei. Als Hintergrund vermutet Hämmerling fiskalische Gründe: Weil Elektrokohle eine DDR-Altlast ist, muss der Senat für rund die Hälfte der Sanierungskosten aufkommen.
Eine Sprecherin der Umweltverwaltung sieht hingegen die vor Jahren erfolgte Teilsanierung als ausreichend an. „Die Gifte sind nicht flüchtig, so dass sie nicht über die Luft übertragbar sind.“ Darüber hinaus soll das Problem bald gelöst sein, wie die Pressesprecherin der Umweltverwaltung, Manuela Damianakis, sagte: „Wir gehen davon aus, dass der Bodenaushub zügig abgeräumt wird.“
Noch ein Fragezeichen ergibt sich für die grüne Abgeordnete. Auf ihre parlamentarische Anfrage gab der Senat an, der Verkauf unverpackter Lebensmittel sei in dem Asiamarkt verboten. Das entspricht jedoch nicht der Wahrheit. Das Veterinär- und Lebensmittelaufsichtsamt in Lichtenberg hat den Verkauf von unverpacktem Obst und Gemüse und einigen weiteren Lebensmitteln gestattet. „Uns sind keine Umweltdaten bekannt, wonach der Verkauf von Lebensmitteln für den Verbraucher gefährlich sein könnte“, erklärt dessen Amtsveterinär Reinhold Fahrlefeld. Das ist für Hämmerling ein Skandal. MARINA MAI
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen