: Avanti, Practicanti
ARM DRAN Mit „Die 1.000-Euro-Generation“ hat Massimo Venier eine Komödie gedreht, in der nur nebenbei von den Problemen des italienischen Prekariats erzählt wird
VON WILFRIED HIPPEN
Ja, ein wenig wird hier Etikettenschwindel begangen. Bei diesem Titel erwartet man eher einen Film, in dem das Phänomen der ewigen Praktikanten behandelt wird. Auch in Italien gibt es diese Schicht von gut ausgebildeten jungen Erwachsenen, die sich von Praktikum zur Vertretungsstelle zum Aushilfsjob hangeln und dabei mit viel Glück gerade so über Wasser halten können. In Italien werden sie die „Generazione 1.000 Euro“ genannt und schon im Jahr 2005 haben Antonio Incorvaia und Alessandro Rimassa unter diesem Titel einen Roman veröffentlicht, dessen sehr freie Adaption dieser Film ist. Während im Buch soziologische Studien zu diesem Phänomen fiktionalisiert wurden und als Geste des Widerstands im letzten Kapitel ein nationaler Streik aller Praktikanten stattfindet, bilden die sozialen Verwerfungen eines postindustriellen Gesellschaftssystems im Film kaum mehr als den Hintergrund einer romantischen Komödie, die allerdings sympathisch und amüsant erzählt wird.
Der 30-jährige Matteo ist einer von jenen, die sich zwangsläufig zu Spezialisten im Durchwurschteln entwickeln. Dem talentierten Mathematiker hilft sein guter Abschluss wenig. Von dem Job als Hilfswissenschaftler an der Uni von Mailand kann er nicht leben, obwohl die leidenschaftliche Art, wie er seine Vorlesungen hält und sein vertrautes Verhältnis zu einem Professor deutlich machen, dass die akademische Arbeit seine Berufung ist. Doch sein Geld muss er mit einem Bürojob in einer Mobilfunkfirma verdienen und hier droht ihm ständig der Rauswurf. Er und sein Tischnachbar schauen ständig zum Glasbüro ihres Vorgesetzten, denn sie wissen, dass immer dann eine Kündigung droht, wenn einer von ihnen zum einem Gespräch gerufen und die Jalousie heruntergelassen wird.
Da das Geld auch so knapp ist, lebt Matteo in einer Wohngemeinschaft und an diesem idealen Setting für eine romantische Komödie ist Venier offensichtlich mehr interessiert als an den deprimierenden ökonomischen Realitäten dieses Lebensstils. Schnell wird ein Zimmer frei und mit Beatrice zieht eine dunkelhaarige Schönheit ein, die gerne als Lehrerin arbeiten will und nur kurzzeitig als Vertretung beschäftigt wird.
Bald steht Matteo zwischen ihr und der blonden Angelica, die er auf dem Dach des Bürogebäudes bei einer Raucherpause kennenlernt und die sich schnell als seine Chefin entpuppt. Sie fördert ihn, fährt mit ihm auf Dienstreise nach Barcelona und so steht Matteo bald vor den uralte Entscheidungen: Kopf oder Herz? Sex oder Liebe? Karriere oder Glück? Blonde oder Brünette?
Mit diesem uralten Erzählmuster macht Massimo Vernier es sich natürlich sehr leicht, aber einer der sympathischen und komischen Schlenker des Films besteht darin, dass eine Filmfigur genau diese vermeintliche Schwäche genau benennt: Matteos Mitbewohner und Freund Francesco hat ein abgeschlossenes Filmstudium und arbeitet als Vorführer in einem Kino. Passenderweise im Projektionsraum erzählt er dem romantischen Helden, auf welchen Klischees dessen Dreiecksgeschichte (und damit auch der ganze Film) basiert. Sich selber beschreibt er dabei als den „Sidekick“, der immer kleiner und oft interessanter als die Hauptfigur ist. Und auch dabei kann man ihm kaum widersprechen.
Satirische Schärfe sucht man in dieser Komödie vergebens. Bei der Mobilfunkfirma gibt es zwar ein Projekt, bei dem die unbeliebten Sendemasten mit Baummattrappen getarnt werden sollen, aber diese absurde Idee denkt Vernier nicht zu Ende und so ist sie nur für einen oder zwei eher schwache Lacher gut. Seine Stärke ist eher Slapstick und so fallen die Mitglieder der Wohngemeinschaft ständig durch ein Loch in ihrem Wohnzimmer in die untere Etage, wo der Nachbar, ein älterer Mann, immer stoisch in seinem Sessel sitzt und sie schon zu erwarten scheint. Dieser running gag ist simpel, aber wirkungsvoll und dies kann man auch vom gesamten Film sagen.