: Wahrnehmungsstörung in Grün
AUSTRITT Ein Häuptling will nicht Indianer spielen: Nachdem er die Bundestagswahl hinter sich gebracht hat, kündigt der Bremen-Norder Direktkandidat Klaus Möhle den Grünen die Freundschaft
Wie Klaus Möhle ein Grüner wurde, ist eine Geschichte für sich. Die Partei hatte bereits Bundestagerfahrungen gesammelt, das Rotationsprinzip war abgeschafft und in Bremen gab es mit Ralf Fücks einen grünen Senator. Der lernte Möhle als „Häuptling der Squatter vom Weidedamm“ kennen, sagt er, „der sich in den Verhandlungen als politikfähig erwiesen“ habe. Kurz darauf warb die Partei ihn an, „um“, sagt Fücks, „ihr Spektrum zu erweitern“. Erst 14 Jahre ist das her, ein „Spätankömmling“ sei Möhle gewesen, der nun „früh wieder gegangen ist“: Am Montag gab der Bürgerschaftsabgeordnete den Parteiaustritt bekannt.
Nicht ganz überraschend. Seit August habe es „zahlreiche Gespräche“ gegeben, sagt die Landesvorsitzende Susan Mittrenga. „Wir hatten gehofft, dass sich das mit der Zeit legt“. Laut Möhle gab’s dazu keinen Anlass: „Ich hatte denen klar gesagt: Den Bundestagswahlkampf mache ich noch zu Ende“, in Bremen Nord war der 56-Jährige Direktkandidat gewesen, „aber dann ist Schluss“. Das „Vertrauen in die Fraktion war einfach zerstört“. Bei der jährlichen Abstimmung über den Fraktionsvorstand hatte er sich plötzlich drei Konkurrenten für den Stellvertreter-Posten gegenüber gesehen. Und der Favorit von Chef Matthias Güldner hieß nicht Möhle, sondern Fecker, Björn, Jahrgang ’77. Auch der, Vorstandsmitglied des Fußballverbandes, repräsentiert ein strategisch wichtiges Milieu – nur keins, das Alt-68er sexy fänden.
Möhle fühlte sich ausgebootet – und verzichtete auf die Kandidatur. „Das war hinter meinem Rücken mit allen KollegInnen besprochen“, sagt er, „und keiner hat sich getraut, mich zu informieren.“ Für eine weitere Zusammenarbeit fehle da doch die Basis. Der Austritt sei deshalb „eine politische Entscheidung“. Güldner, klar, sieht das anders: „Es gab keine politischen Differenzen“, kommentiert er, die Fraktion sei „wahnsinnig enttäuscht“. Wohl auch darüber, dass Möhle sein Mandat weiterhin wahrnimmt. „Was“, fragt Güldner, „will er denn da neben Tittmann und Timke?“ Bloß: Da wird Möhle nicht sitzen. „Mein Platz ist eher auf der anderen Seite“, zwischen Linksfraktion und SPD. Und die „Regierungsarbeit aus kritischer Distanz zu begleiten“ hält er für sinnvoll.
„Möhle gilt als grünes Urgestein“, hatte Radio Bremen gestern behauptet. Stimmt. Aber gelten und sein sind zwei Paar Schuhe. Möhles Frisur und Kleidungsstil und, dass er im selbst erkämpften Ökodorf sein Ding macht – das entspricht dem Klischee, das die Außenwahrnehmung der Öko-Partei geprägt hat. Und lange genug hatte die selbst es gepflegt. Zwar sagt Fücks: „Urgrün – das ist quatsch“. Trotzdem hat der Landesverband Möhle schon 1999 zum Vorsitzenden gemacht. Und das blieb er, bis er 2003 erneut in die Bürgerschaft einzog.
Auch in der Nachwuchsarbeit war sein Aussteiger-Image wertvoll: Der Ärger um die Fraktions-Vize-Wahl führte bei den Junggrünen zum Abgang von Vorstandsmitgliedern. Die allerdings waren zuvor mit den demokratischen Regularien der eigenen Satzung in Konflikt geraten.
Die Aufgabe des Jugend-Förderers hatte sich Möhle nicht immer auf die Fahne geschrieben. Als es 1998 um die Kür der Bundestagskandidaten ging, hatte der Landesvorstand einen 18-jährigen vorgeschlagen. Möhle fand ihn zu jung und verkündete: „Ich bin der bessere Kandidat.“ Dabei war Till Stenzel schon damals Experte für regenerative Energien. Als Strategie-Manager koordiniert er heute die Solarstrom-Aktivitäten der britischen „Nur Energie Ltd“. Deren Großkraftwerk in Tunesien steht kurz vor Baubeginn. Es soll als erstes profitabel Strom aus der Wüste nach Europa liefern. Also das realisieren, was im Wahlkampf markig Green New Deal hieß. BES