Kombikrümler schlägt Abstandsgrün

Sorgsam vermiedene Kontextualisierung: Mit seiner Ausstellung „Stadtnatur“ hat das Museum der Arbeit einen unfreiwillig komischen Mix aus Hafencity-Werbung und Kleingärtner-Utensiliar zusammengestellt

Vielleicht hätte man Peter Piller bitten sollen. Jenen Hamburger Künstler, der Luftaufnahmen von Grundstücken und Freiflächen so lakonisch zusammenstellt, dass des Homo Sapiens‘ Gestaltungsmanie einem die Tränen – wenn nicht des Mitleids, dann des Vergnügens – in die Augen treibt. Verschlungene Wege durch Reihenhausgärten sind dort zu sehen, interessant konzipierte Garageneinfahrten, alles vollbracht in dem Bestreben, die Gestaltungsideen des Nachbarn zu übertrumpfen.

Aber das Museum der Arbeit hat stattdessen die Ausstellung „Stadtnatur“ erschaffen, deren Erkenntniswert sich partout nicht erschließen will. Wie sich das Verhältnis des Menschen zur Natur im Laufe der Jahrzehnte verändert habe, geruht die Schau zu fragen; allein die Präsentation löst nichts ein: Als Hafencity-Werbebroschüre gestaltet sich die Wand mit Fotos von Hafenkante und Rundfahrtsbooten, brav „Stadt am Wasser“ übertitelt.

Deskriptiv auch die Einlassungen zum „Sprung über die Elbe“ – und die These, dass sich Wasser zum „Pluspunkt für Lebensqualität“ entwickeln werde, ist so neu nicht. Kommentarlos abgebildet ist der Plan, die Veddel zum Amusement-Areal umzugestalten, entworfen im Rahmen der Utopie „Playa Hamburgo“. Wohin jene ziehen sollen, die sich solch „aufgewerteten“ Stadtteil dann nicht mehr leisten können, wird verschämt verschwiegen. Ein umso zynischeres Prozedere, als der Ausstellung der Film Peter von Zahns über die Sturmflut von 1962 vorangestellt ist, die die Bewohner genau jener Wilhelmsburger Gebiete traf, die jetzt so vergnügungsträchtig bebaut werden sollen.

Als Dekoration wird Natur – sprich Wasser – hier definiert, als adrettes Spiegelelement, das die Großtaten von Architekten umso stärker hervortreten lässt. Auch die verzweifelten Versuche, die City Nord zu begrünen, an anderer Stelle angeführt, sind wenig geeignet, ein geläutertes Naturverständnis zu bezeugen – bleiben auch stattliche Bäume doch winzig neben riesigen Bürobauten. Blumen und Bäume im fahrbaren Kübel dagegen dürfen auch mal in das Innere jener gläsernen Paläste der Arbeit; „Arbeiten im Grünen“ heißt die entsprechende Abteilung, die stark an Peter Pillers Ironismen gemahnt: Eine Serie von Blumenkübeln aus Beton wurde da etwa abgelichtet und auf Pappe gepinnt, garniert mit Häppchen von Stadtplaner-Jargon: Von „Abstandsgrün“ kann man hier lesen, von „Spontanvegetation“, „Straßenbegleitgrün“ und „Schummelgrün“.

Karnevalesk auch die Abteilung „Hamburger Kleingärten“, die sich – bestückt mit Kleingärtner-Fotos, hart die Grenze zum Voyeurismus – als Parcours durch einen Gartencenter gestaltet: Doppelhacke, Pendeljäter und Kombikrümler sind hier versammelt wie weiland Opas Hirschgeweihe. Ja, bis in die private Wohnung hinein reicht das Bedürfnis nach domestizierbarer Natur: Ein Blümchenservice, ein Fell sowie ein Katzenbaum und Bio-Müsli haben sich hier eingefunden. Kombinationen, die weder Abstraktion noch Kontext bergen und in keiner Weise zur Erhellung beitragen.

Aber vielleicht ist diese Ausstellung ja als work in progress, als Brainstorming gedacht. Vielleicht haben die Macher es bewusst dem Besucher überlassen, die oft naiven Assoziationsfetzen zu einem weiterführenden Ganzen zu verweben. Und andernfalls hat man sich – von Entsetzensmomenten abgesehen – zumindest prächtig amüsiert.Petra Schellen

Mo 13–21, Di–Sa 10–17, So 10–18 Uhr; Museum der Arbeit; bis 22. 8.