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Archiv-Artikel

Wer steigt auf?

Das taz-Wahlbarometer mit den aktuellen Auf- und Absteigern. Zusammen-gestellt von PETER UNFRIED, STEFAN KUZMANY und SUSANNE LANG

Katrin Göring-Eckardt piepste dazwischen, ab und an. Aber so richtig ins Zentrum des Gespräches und in den Focus der Kameras kam sie nicht: Damit steht der Auftritt der Grünen-Fraktionsvorsitzenden bei „Christiansen“ (ARD) pars pro toto für das Dilemma der Grünen in diesem Wahlkampf. Immerhin bleibt Göring-Eckardt der mit Abstand am häufigsten falsch geschriebene Name unter Deutschlands Spitzenpolitikern. Tendenz: fallend.

Wolfgang Gerhardt (FDP) spricht in letzter Zeit viel davon, dass es doch um Deutschland gehe und nicht um irgendwelche Koalitionen. Dass alles ganz einfach wäre, wenn man es nur vereinfachen würde. Dass es um Inhalte gehe und nicht um … was auch immer. Eigentlich aber sagt Wolfgang Gerhardt (FDP) immer nur eines, mit jedem Satz und immer wieder: „Ich bin ministrabel! Ich bin ministrabel!“ So wird das nichts. Tendenz: gleich bleibend.

Edmund Stoiber (CSU) hatte mit seiner Ossi-Beleidigung Erfolg – jedenfalls in seiner Zielgruppe. Nach taz-Beobachtung sympathisieren selbst Bayern, die niemals auf die Idee kämen, Edmund Stoiber oder die CSU zu wählen, mit dessen Einschätzung, die Bayern seien die Klügsten in ganz Deutschland. Der Schmeichelei sind selbst eingefleischte Grünen-Wähler erlegen. Stimmen wird ihm das allerdings keine bringen. Tendenz: gleich bleibend.

Christian Wulff, CDU-Vize, setzt die weiblichen Akzente in der Partei. Er spricht bevorzugt von Familienpolitik, lässt einen Krach mit dem Testosteron-steilen Edmund Stoiber kolportieren, welchen er klassisch weiblich (Kraft der Argumente) zurückgepfiffen habe – um ihn dann im Fernseh-„Talk der Woche“ als „knuffigen“ „Elch“ zu adeln. Und das alles freilich aus einem guten Grund: um als Erster, weil Loyalster, da zu sein, wenn Merkel stürzt. Tendenz: Kanzlerinnenbonus.

Hans-Ulrich Jörges (Stern) entwickelt sich zunehmend zum alleinigen Kompetenzzentrum Deutschlands bzw. der Polit-Talkshow „Christiansen“ (ARD). Jörges setzt die Themen, bewertet jede Aussage, und wenn er nickt, dann fühlt sich ein jeder Politiker bestätigt – noch mehr als vom Applaus des Publikums. Zwar ist Jörges formal noch Berliner Büroleiter des Sterns, tatsächlich aber ist er ein Kanzlerkandidat ohne Partei. Tendenz: stark steigend.

Michael Glos, CSU-Landesgruppenchef, trägt neuerdings auch mal eine rot-grüne Krawatte. Indem Glos die Farbkombination der derzeit regierenden Parteien SPD und Grüne besetzt, entreißt er sie dem ursprünglichen Zusammenhang und kodiert sie um. Nichts soll von Rot-Grün bleiben, nicht einmal die Erinnerung an diese Regierungskoalition bei Anblick der Farbkombination. Tendenz: gleich bleibend.

Matthias Platzeck (SPD), Ministerpräsident von Brandenburg, machte bei seinem Auftritt als Sprecher der Ost-SPD am Wochenende ein so herzerweichend trauriges Gesicht, als er davon sprach, Edmund Stoiber (CSU) habe die Ostdeutschen „beleidigt und verletzt“ – man hatte ihn schon verschwunden geglaubt, aber in Platzecks Gestalt ist er wiedererstanden: der Jammer-Ossi, beleidigt, verletzt, frustriert. Ein potenzieller Oskar-Wähler? Tendenz: fallend.