Es neandert wieder im Thal

Vor 150 Jahren fand man im Tal der Düssel die berühmten 16 Knochen. In Nordrhein-Westfalen bereitet man sich auf das Neanderthalerjahr 2006 vor. Drei Sonderausstellungen und ein internationaler Kongress sollen weltweit für Aufsehen sorgen

AUS METTMANNPETER ORTMANN

Auf dem Rasen stehen 18 rot-weiße Stangen, auf dem Boden ein Betonkreuz. In einer rohen Holzkiste liegen menschliche Knochen. Es heulen Sirenen. Ortstermin Mettmann. Doch die Beamten im Bully rasen zum Hildener Kreuz wegen eines Unfalls. Die 16 Knochen sind in Mettmann längst bekannt. Sie wurden bereits vor 150 Jahren entdeckt. Arbeiter der Firma Rhein-Kalk fanden den Ur-Menschen, als sie das bergige Gesicht der Umgebung veränderten und dabei seine Grotte zerstörten. Seitdem ist der Kreis Mettmann weltweit bekannt und der Neanderthaler-Kult im Düsseltal war geboren. Erst vor kurzem hat man die Original-Fundstelle wieder entdeckt und mit den Vermessungsstangen verziert. „Die Knochen in der Kiste sind natürlich aus Kunststoff“, sagt Gerd Weniger, Direktor des Neanderthal Museums. Die Originale verkaufte man zur Sicherheit ans LandesMuseum nach Bonn.

In Mettmann baute man dem Neanderthaler und seiner Frau, die man erst vor wenigen Jahren fand, ein sehenswertes Museum. Dort gibt es inzwischen sogar Mammut-UrPils, importiert aus Sangershausen in Sachsen-Anhalt, jeden einzelnen Neanderthaler-Knochen als Anhänger und viel zu lernen. „Die Vorstellung vom gebückten Neanderthaler mit Keule in seiner Höhle ist überholt“, sagt Gert Kaiser, Vorsitzender der Stiftung Neanderthal Museum. So viel Höhlen gäbe es im Rheinland gar nicht und auch für Keulen gäbe es keinen einzigen Nachweis. Eigentlich seien die Steinzeitmenschen Jäger und Sammler gewesen. Da kommt die lebensechte Szenerie mit Fell-Zelt und einfachen Steinzeitwaffen im ovalen Beton-Museum der Wahrheit wahrscheinlich näher. Der 1996 eingeweihte Bau wurde bereits viermal für seine ungewöhnliche Architektur ausgezeichnet und steht für ein neues Museumskonzept: „Erkenntnis durch Erleben“. Die Ausstellung zeigt den langen Weg der Menschheit aus den Savannen in die Großstadt. Einen Schwerpunkt bilden die Neanderthaler, deren lebensechte Figuren auf der Basis von Original-Schädelfunden rekonstruiert wurden.

Der Rundweg ist didaktisch auf dem letzten Stand. Audiosysteme, bei denen der Besucher nur einen Kopfhörer tragen muss, animierte leichte Computerprogramme für Infos rund um die weltweite Forschung und am Schluss des leichten Aufstiegs ins obere Stockwerk ein Café. Die Präsentation hat Witz und Charme. In einer originalen Werkzeugkiste aus dem Baumarkt liegt die Rekonstruktion eines Steinzeitmessers neben dem roten Schweizer. Das lässt vor lauter Information über die Prähistorie auch schmunzeln.

Im Jubiläumsjahr 2006 gerät die Fundstelle im Rheinland wieder ins weltweite Interesse. Die Landschaftsverbände Rheinland (LVR) und Westfalen-Lippe (LWL) mit ihren Museen in Bonn und Herne, die Stiftung Neanderthal Museum in Mettmann und die Universität Bonn feiern das Jubiläum mit drei Sonderausstellungen und einem internationalen Kongress. Mit dem Projekt „Neanderthaler und Co.“ wollen sie die aktuellen Forschungserkenntnisse über den Neanderthaler der Öffentlichkeit bekannt machen. Dabei stehen die Menschheitsentwicklung, ihre Rezeptionsgeschichte sowie die Veränderungen in Klima und Umwelt im Vordergrund. Und das von sechs Millionen Jahren vor der Gegenwart bis 75.000 Jahre in die Zukunft.

Werbewirksam für Nordrhein-Westfalen ist das auch. „Kein anderer Fund aus Deutschland ist weltweit so bekannt wie der Neanderthaler“, sagte Heinz Günter Horn vom NRW-Städtebauministerium. Dafür wolle man in Zukunft wieder „Kräfte bündeln“ und die Aufmerksamkeit in die Region lenken. Neu-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) ist jetzt Schirmherr und auch Bundespräsident Horst Köhler soll wenigstens eine der Ausstellungen eröffnen. Mehr Mittel für die Bodendenkmalpflege versprach Horn nicht. Infrastruktur-Minister Oliver Wittke (CDU) wolle den Denkmalschutz aber „weiter aktionsfähig halten“. Auch die Deutsche Post will profitieren. Sie gibt zum Jubiäum eine Briefmarke heraus. Ihr Wert: 2.20 Euro. Ein bisschen viel für Steinzeit-Liebesbriefe.

www.neanderthal.de